Michael Rottmann über Basteleien zum Vater- oder Muttertag

Fragwürdige Traditionen gehören auf den Prüfstand – auch niedliche

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Sollen Kinder zum Muttertag wirklich weiterhin einen Topf mit einem Blümchen für die Mamas einpflanzen? Oder zum Vatertag Holz-Schlüsselbretter für Papas Büro basteln? Solche Traditionen zu hinterfragen ist richtig, findet Michael Rottmann.

Der Blick auf die Welt ändert sich. Es ist richtig und gut, darauf zu reagieren, Traditionen kritisch zu hinterfragen und, wenn nötig, alte Zöpfe abzuschneiden. Wie soll Kirche denn sonst Schritt halten und als kompetenter Gesprächspartner ernstgenommen werden?

Auch die gelebte Wirklichkeit von Familien ist längst nicht mehr so wie vor 40 Jahren. Deshalb war es richtig, dass eine katholische Kita im Bistum Fulda den Umgang mit Vater- und Muttertag zur Diskussion und sich Fragen gestellt hat.

Sollen wir wirklich weiterhin einen Topf mit einem Blümchen für die Mamas einpflanzen oder Holz-Schlüsselbretter für Papas Büro basteln? Was machen solche Bastelaktionen eigentlich mit den Kindern, von denen wir immer mehr in unserer Einrichtung haben - Kinder von Alleinerziehenden zum Beispiel? Und wie berücksichtigt es die wachsende Bedeutung der Diversität in unserer Gesellschaft, wenn mit den Geschenken ständig stereotype Rollenmuster bedient werden?

Kein Untergang des Abendlands

Fragen, die wohl nur denen schrill im Ohr klingen, die in jeder Reaktion auf gesellschaftliche Wirklichkeiten den Untergang des Abendlands wittern. Motto: „Wo kommen wir denn da hin?“

So folgte das Unausweichliche: Die Schlussfolgerung des Kita-Teams, vorerst auf Mutter- und Vatertagsbasteleien zu verzichten, wurde zur medialen Steilvorlage. Ein Shitstorm brach los, auch ohne Rücksicht auf die Fakten. „Bild Online“ zum Beispiel stellte die Kita an den Pranger: „Diese Kita verbietet Geschenke zum Mutter- und Vatertag“ – Verbot? So ein Unsinn!

Übers Ziel hinaus, aber nicht daneben

Mag sein, dass das Kita-Team in seinem Schreiben an die Eltern zu wenig deutlich gemacht hat, dass es sich nach wie vor für ein christliches  Familienbild einsetzt. Dass es bei den Eltern um Entschuldigung für ein „unglücklich“ formuliertes Schreiben gebeten hat, hilft auch sicher dabei, die Wogen zu glätten. Genauso wie weitere Gespräche miteinander.

Möglicherweise wäre es besser gewesen, eine kreative Alternative für die Kinder anzubieten, mag sein. Vielleicht hat das Kita-Team übers Ziel hinaus geschossen – aber nicht vollständig daneben.

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