50. Todestag des Vechtaer Offizials

Heinrich Grafenhorst: Seelsorger in Zeiten des Aufbaus nach dem Krieg

Er arbeitete in einer schwierigen Zeit für die oldenburgische Kirche: Heinrich Grafenhorst war von 1948 bis 1970 Bischöflicher Offizial in Vechta. Vor welchen Problemen er stand und wie er sie bewältigte.

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Für die Nordwestzeitung in Oldenburg war es eine Sensation. An diesem Montag im Frühjahr 1970 lautete ihre Schlagzeile: „Katholische und evangelische Christen beteten gemeinsam!“ Gemeint war ein Gottesdienst in der evangelischen Lambertikirche, zu dem die Bischöfe und Kirchenleitungen des Bistums Münsters, des Bischöflichen Offizialates in Vechta und der Evangelischen Landeskirche Oldenburg zusammengekommen waren. Damals noch ein nicht alltägliches Ereignis.

Den Anstoß hatte ein Mann gegeben, den manche heute vielleicht als kirchlichen „Hardliner“ bezeichnen würden: Heinrich Grafenhorst. Er war seit 1948 Bischöflich Münsterscher Offizial in Vechta, sein Todestag jährt sich am 12. Juli zum 50. Mal.

 

Historiker Bölsker: Grafenhorst hat zukunftsweisend gehandelt

 

Der Historiker Franz Bölsker, Professor an der Universität Vechta und Leiter der Schulabteilung im Bischöflichen Offizialat, hat aus diesem Anlass das Leben Grafenhorsts aus heutiger Sicht neu beschrieben. Sein Ergebnis: Der Kirchenmann ist aus seiner Zeit heraus gut zu verstehen – und er hat zukunftsweisend gehandelt.

Wie bei den Kontakten zur evangelischen Landeskirche. Mit dem Landesbischof in Oldenburg verband Grafenhorst eine enge Freundschaft. Die nutzte er, um die Bistumsleitungen zusammenzubringen, 1966 das erste Mal. Geburtsstunde der „Oldenburger ökumenischen Gespräche“, die heute noch stattfinden.

 

Als sich die Zahl der Katholiken im Oldenburger Land verdoppelte

 

Anfangs ein theologischer Austausch über Grundsatzfragen, weiteten sich die Gespräche später aus auf Themen, die die Seelsorge beider regionaler Kirchen berühren.

Enge Kontakte zu evangelischen Christen haben Heinrich Grafenhorst schon als jungen Priester ausgezeichnet; damals arbeitete er vor allem in der Diaspora, etwa in Oldenburg und Wilhelmshaven. Solche Kontakte bewährten sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als Grafenhorst vor einer riesigen Herausforderung stand: 70.000 katholische Heimatvertriebene wurden im Oldenburger Land zwangsangesiedelt, die katholische Bevölkerung im Norden des Oldenburger Landes verdoppelte sich nahezu.

 

60 Kirchen, 52 Kindergärten und 10 Altenheime gebaut

 

Der Aufsatz von Franz Bölsker zum fünfzigsten Todestag des Bischöflichen Offizials Heinrich Grafenhorst (1906-1970)

Grafenhorst sorgte als Offizial für die kirchliche Infrastruktur, richtete 23 neue Seelsorgebezirke ein, begleitete den Bau von 60 Kirchen und Kapellen, 52 Kindergärten und 10 Altenheimen. Aber vor allem am Anfang kümmerte er sich auch um unmittelbare Not: Gestützt auf Kontakte in seine südoldenburgische Heimat, Kneheim bei Cloppenburg, sorgte er für direkte Lebensmittellieferungen.

Zudem baute er mit der Caritas ein System von Patenschaften auf, in dem je eine südoldenburgische Gemeinde Pate einer in Nordoldenburg wurde und sie unterstützte. Bedürftige Kinder aus diesen Gemeinden konnten dort dann auch ihre Ferien verbringen.

 

Grafenhorsts Kampf für die katholische Konfessionsschule

 

Historisch bedeutend war auch Grafenhorsts Kampf für die katholische Konfessionsschule. Die wollte die niedersächsische Landesregierung 1952 in eine „Gemeinschaftsschule“ umwandeln. Grafenhorst mobilisierte Widerstand, bei einer Großkundgebung in Cloppenburg kamen 30.000 Menschen zusammen und protestierten. Schließlich stellte die Regierung ihre Pläne zurück.

Der Zuspruch erklärt sich – so arbeitet Bölsker heraus – auch aus dem wenige Jahre zurückliegenden Schulkämpfen mit der Nazi-Diktatur. Die Bevölkerung sei noch sehr empfindlich gewesen, wenn es um die katholischen Volksschulen ging.

 

Wieso Heinrich Grafenhorst den Beinamen „Moorpapst“ bekam

 

Bölsker warnt davor, solchen Einsatz als rückwärtsgewandt wahrzunehmen. Konfessionelle Entschiedenheit und der Aufbau einer freiheitlichen, sozialen Demokratie habe man damals ganz selbstverständlich zusammengedacht, auch Menschen, die der Kirche fern standen. „Die Vorstellung war damals weit verbreitet, dieser Aufbau sei nur unter christlichen Vorzeichen zu bewältigen.“

Nicht umsonst habe Grafenhorst seit diesen Schulkämpfen den nur halb spöttisch gemeinten Beinamen „Moorpapst“ getragen.

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