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Der Brasilienkreis St. Heinrich in Marl fördert seit 40 Jahren partnerschaftliche Beziehungen zu Gruppen in Brasilien. Trotz neuer Perspektiven mit dem Präsidenten Lula da Silva will der Kreis weiter helfen.
„Lula wird das große Problem der ungerechten Landaufteilung in Brasilien nicht lösen können. Eine Landreform ist nicht in Sicht. Die Großgrundbesitzer haben alles im Griff“, sagt Theo Heeck vom Brasilienkreis St. Heinrich in Marl (Kreis Recklinghausen) über die Politik des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva.
Theo Heeck beobachtet die politische und soziale Lage in Brasilien seit Beginn seines Engagements im Brasilienkreis vor 35 Jahren. Mit seiner Frau Helene, die schon 40 Jahre im Partnerschaftskreis aktiv ist, bespricht er oft die Nachrichten, die aus den verschiedenen Partnerschaftskreisen Brasiliens kommen.
Viele Brasilianer sind mittellos
„Lula hat einige soziale Programme wieder in Gang gesetzt, die sein reaktionärer Vorgänger Bolsonaro eingestellt hatte. Das ist gut. Besonders das Programm, dass kein Brasilianer mehr hungern darf, ist wichtig. Und doch bleiben die allermeisten Brasilianer ohne Land und haben kaum Chancen, sich zu entwickeln“, sagt Theo Heeck.
Um so wichtiger bleibt die Arbeit des Marler Brasilienkreises, meint Helene Heeck: „Uns liegt die Bewusstseinsbildung und die Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen den weltweiten wirtschaftlichen Verhältnissen und den ungerechten Lebensbedingungen eines Großteils der Menschen in Brasilien am Herzen.“
Partnerschaft mit Begegnungen
Brasilien hat es der Familie Heeck angetan. Mehrmals war das Ehepaar mit anderen Aktiven des 1980 gegründeten Brasilienkreises St. Heinrich dort, mehrmals kamen Gäste aus den brasilianischen Partnerschaftsgruppen nach Marl, um den Austausch zu vertiefen und über den Stand der sozialen Projekte zu informieren.
So wird es auch in diesem September sein, wenn die drei Caritas-Mitarbeiterinnen Aline de Sousa Maria, Maria Patricia de Freitas Sousa und Anjerliana Souza Oliveira zusammen mit der aus Billerbeck stammenden früheren Sonderschullehrerin und Entwicklungshelferin Maria Schulze-Eistrup dos Santos für zwei Wochen ins Ruhrgebiet kommen.
Marl unterstützt bei Bewässerung in Trockengebieten
Maria Schulze Eistrup lebt mit ihrer Familie seit Beginn der 1990er Jahre in Ibirite im Zentrum Brasiliens, wo sie das „Zentrum zur Befreiung der arbeitenden Frau“ leitete. Durch ihr Engagement entstand in Ibirite ein Netz von Kinderkrippen. Dort wohnen vorübergehend Kinder und Jugendliche, die in ihren Familien Gewalt erfahren haben. Das Projekt steht, wie Helene Heeck sagt, inzwischen auf eigenen Füßen, nachdem der Brasilienkreis St. Heinrich dieses über viele Jahre finanziell gefördert hatte.
Aus Limoiero do Norte kommen die drei Caritas-Mitarbeiterinnen. Diese Region im Trockengebiet im Nordosten Brasiliens ist geprägt von Wassermangel und ungerechter Landverteilung. Dort hilft der Brasilienkreis gemeinsam mit dem Bistum Münster bei der Anlage von Bio-Aqua-Projekten. „Dabei wird Gebrauchtwasser gereinigt und zur Bewässerung der Gärten genutzt“, erläutert Theo Heeck.
Kleinbauern kämpfen in Brasilien um ihr Land
Theo und Helene Heeck vom Brasilienkreis St. Heinrich in Marl zeigen ihre neue Kerze der Partnerschaft „Freundschaft verbindet – amizade nos conecta“. | Foto: Johannes Bernard
Drei weitere Projekte fördert der Brasilienkreis: In Juazeiro wird das „Regionale Institut für angepasste Kleinbauernlandwirtschaft und Tierhaltung“ finanziell bezuschusst. „Wir unterstützen das Institut aber auch in der Anstellung eines Rechtsbeistandes für den Kampf von Kleinbauern um ihr angestammtes Land, das Konzerne ihnen rauben wollen“, sagt Theo Heeck.
Zuschüsse erhalten mehrere landwirtschaftliche Familienschulen in Sobradinho, in denen Jugendliche ihren Schulabschluss machen können und in Landbewirtschaftung und Tierhaltung unterrichtet werden. In Campina Grande, der Hauptstadt des Bundesstaates Paraiba, unterstützt der Brasilienkreis mit der Katholischen Frauengemeinschaft St. Heinrich und dem im Münsterland aktiven Aktionskreis Pater Beda eine Grundschule mit 280 Kindern und die ärztliche Betreuung von Schwangeren und jungen Müttern im Armenviertel dieser Großstadt.
Brasilienkreis zeigt sich solidarisch
Die Motivation des Brasilienkreises, sich weiterhin für die Projekte einzusetzen, ist aus einem Satz hergeleitet, den Pfarrer Ferdinand Kerstiens beim Aufbau der Partnerschaft 1980 sagte: „Wir können nicht Eucharistie feiern mit dem Rücken zu den Armen.“
Wie Helene und Theo Heeck sagen, gehe es nicht nur darum, Geld nach Brasilien zu schicken, sondern um die aus einem christlichen Bewusstsein heraus gelebte Solidarität. Sie zitieren einen weiteren Satz von Pater Rogerio, dem Begleiter vieler Basisgemeinden: „Wir haben gelernt, dass das Reich Gottes sich da meldet, wo die Verstummten zur Sprache kommen, wo die Gelähmten das Gehen wagen, wo die Solidarität über die Meere, Kulturen und Sprachgrenzen hinweg die verschiedensten Menschen einig macht und zum Mitgehen, Mitleiden, Mitsingen und Miteinanderfeiern bringt.“
Nachwuchsprobleme in Marl
In diesem Sinn hofft der aus 15 aktiven Mitgliedern bestehende Brasilienkreis St. Heinrich, jüngere Menschen zu begeistern, sich für die Eine Welt einzusetzen. „Wir sind in unserem Kreis älter geworden und haben, wie so viele andere kirchliche Partnerschaftsgruppen, Nachwuchsprobleme“, sagt der 69-jährige Theo Heeck.
Jüngere Menschen ließen sich besser ansprechen, wenn es um kurzzeitige Projekte gehe. Ein fester Kreis mit monatlichen Sitzungen habe es nicht leicht, neue Mitmachende zu finden. „Unser Brasilienkreis ist zugleich ein Freundschaftskreis, in dem wir ähnliche Erfahrungen teilen. Da ist es vielleicht nicht so leicht, neu dazuzukommen“, weiß Theo Heeck um die Schwierigkeit, den Brasilienkreis für jüngere Menschen attraktiv zu machen.
Hoffen auf neue Freiwilligendienste
Allerdings hofft er darauf, dass sich Brasilien bald wieder für den „Freiwilligendienst im Ausland“ öffnet, bei dem sich vor allem jüngere Menschen für ein Jahr in Organisationen des Landes engagieren können. In den 2000er Jahren hatte der Brasilienkreis sechs junge Menschen über das Programm „weltwärts“ in soziale Projekte des lateinamerikanischen Landes vermittelt.
„Das Programm wurde vor einigen Jahren gestoppt, weil die brasilianische Regierung damals meinte, ihr Staat sei kein Entwicklungsland und brauche keinen Freiwilligendienst von außen“, erklärt Theo Heeck das Problem, den Freiwilligendienst dort über einen längeren Zeitraum zu leisten und die Einreise dafür zu organisieren.
Brasilianer informieren in Marl
Wenn die Lula-Regierung diese Form des Auslandsjahres wieder möglich mache, hoffe man auf junge Interessierte, für die der Brasilienkreis St. Heinrich dann Einsatzpläne schaffen könne. Doch zunächst steht der Besuch der vier Frauen aus Brasilien an, mit mehreren Begegnungen in Pfarrheimen, Schulen und Gottesdiensten.