Serie „Innovative Immobilienkonzepte im Bistum Münster“ (3)

In Dinslaken hat die Pastoralstrategie Vorrang vor der Immobilienfrage

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Eine Pastoralstrategie verbunden mit einem Immobilienkonzept entwickelt derzeit die Pfarrei St. Vincentius in Dinslaken. Nach sechs Gemeinde-Zusammenführungen ist das nicht einfach.

Die Bestandsanalyse der Pfarrei St. Vincentius in Dinslaken fällt ernüchternd aus: „Die Ressourcen, die bislang unhinterfragt vorausgesetzt werden konnten, sind schon heute, mehr aber noch in Zukunft, nicht mehr vorhanden: Geld, ehrenamtlich Engagierte und hauptberufliche Mitarbeitende, Seelsorgerinnen und Seelsorger“, heißt es von einem Vorbereitungsteam, das neben einer Pastoralstrategie ein Immobilienkonzept erarbeitet.

„Die Überlegungen zu den Immobilien und damit auch die Entscheidungen dazu stehen bei uns Anfang 2024 an. Bis dahin werden wir an einer pastoralen Konzeption arbeiten, die eine Basis für die zukünftigen Nutzungen der Immobilien darstellt“, sagt Pastoralreferent Franz-Josef Roth im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“.

Ergebnisoffene Diskussionen in Dinslaken

Roth gehört der Projektleitung an, die eine Pastoralstrategie erarbeiten soll und dabei die Immobilienfrage zu klären hat. „Wir wollen nicht aus dem hohlen Bauch und nicht ausschließlich aufgrund von Zahlen entscheiden, sondern mit Blick auf die Menschen in unserer Stadt.“

Die Pfarrei hat – begleitet von einem externen Berater sowie von Beratern aus dem Referat Pastoralberatung im Bischöflichen Generalvikariat Münster – einen strukturierten Prozess begonnen, der partizipativ, transparent und ergebnisoffen sein will. Daran sind die Mitglieder der Pfarrei, die Vertreterinnen und Vertreter der Gremien und die Seelsorgenden auf verschiedene Weise beteiligt.

Analyse der Sozialräume

„Auch wenn es für kirchliches Handeln ungewohnt ist: Die Tools aus der Beratung und eine stringente Prozessarchitektur helfen dabei, den Prozess geordnet und zügig durchzuführen“, sagt Roth.

Die einzelnen Module des Prozesses – Sozialraumanalyse, Aufstellung einer Pastoralstrategie sowie die Entwicklung von Handlungsmodellen – sollen jeweils in kleinen, effizient und effektiv agierenden Arbeitsgruppen vorbereitet und dann auf breiter Basis konsultiert werden.

Online-Umfrage für alle Dinslakener

„Aktuell wird die Pastoralstrategie konsultiert. Hieran können sich alle Mitglieder der Pfarrei, ja alle Bürger aus Dinslaken per Online-Umfrage beteiligen. Für diejenigen, die nicht so Internet-affin sind, bieten wir Präsenzveranstaltungen an“, sagt der Pastoralreferent.

Einen lokalen Pastoralplan hat die Pfarrei St. Vincentius schon in den Jahren 2014 bis 2016 erstellt. Auch er ist ein Kriterium für die pastorale Planung. „Die pastorale Konzeption, an der wir derzeit arbeiten, ist noch einmal viel konkreter. Die Immobilienfrage wird behandelt, wenn die pastorale Konzeption fundierte Aussagen machen kann“, sagt Roth.

Pfarrei will schnell handeln

Kirchenvorstandsmitglied Peter Kannacher, der ebenfalls der Projektleitung angehört, sagt über den Zeitplan, in dem der Prozess zu führen ist: „Wir machen einen schnellen Prozess. Das heißt allerdings nicht, dass wir kurzen Prozess machen. Allenthalben hören wir, dass ‚die Welt brennt und die Kirche sich mit sich selbst beschäftigt‘. Wir müssen raus aus dieser Selbstreferenzialität und uns so schnell wie möglich unserem Grundauftrag zuwenden.“

Zu diesem Grundauftrag gehört für Kannacher ein Satz aus dem Entwurf der Pastoralstrategie: „Die Menschen auf kreative, das heißt schöpferische Weise mit dem Evangelium in Berührung bringen.“ Die Pfarrei wolle zügig handeln aufgrund von pastoralen Notwendigkeiten.

Pfarrei in schwieriger Finanzlage

Dabei ist die kirchliche Entwicklung zu berücksichtigen. In Dinslaken wird die Zahl der Katholiken von heute rund 19.000 auf etwa 14.000 in 2030 sinken. Ohne Handeln wird der Verwaltungshaushalt der Pfarrei ab 2023 defizitär. Es muss auf die Rücklagen zugegriffen werden. Nach Berechnungen der Pfarrei wären die Rücklagen perspektivisch 2027/28 verbraucht. Es droht die Haushaltssicherung.

Kannacher sagt: „Wir sind nicht auf Rosen gebettet. Am Nordrand des Ruhrgebiets mit Schnittstelle zum Niederrhein ist die Kirchlichkeit der Menschen schon traditionell nicht so groß. Durch die Entwicklungen der vergangenen Jahre in unserer Stadt mit sechs Fusionen sowie einer Pfarrkirche und fünf Filialkirchen sowie einen Kirchenabriss schon im Jahr 2009 sind viele Menschen desillusioniert, was das kirchliche Engagement angeht.“

Kirchenvorstand: „Es schreit niemand Hurra“

Neben der Pfarrkirche St. Vincentius (Altstadt) zählt die Pfarrei weitere fünf Kirchen: Heilig Geist (Hiesfeld), Herz Jesu (Oberlohberg), St. Johannes Evangelist (Eppinghoven), St. Jakobus (Bruch) und St. Marien (Lohberg). Gottesdienste werden zudem in der Kapelle des St.-Vinzenz-Hospitals gefeiert.

Die fortschreitenden Veränderungsprozesse würden genauso wie die kirchliche Großwetterlage ihr Übriges dazu tun, schmerzhafte Entscheidungen treffen zu müssen, sagt das Kirchenvorstandsmitglied: „Beim jetzigen Prozess mit der Perspektive, Gebäude abgeben zu müssen, schreit niemand Hurra. Diejenigen, die in ihrer Biografie positive Erfahrungen mit dem Gemeindeleben gemacht haben, teilweise ein ganzes Leben lang, brauchen in ihrer Trauer auf jeden Fall unser Verständnis und unseren Zuspruch.“

Kein Platz für Beleidigungen

Verständlich sei es, sagt Pastoralreferent Roth, wenn Menschen vor diesem Hintergrund der Kirche den Rücken zukehrten: „Was aber auch klar sein muss, ist, dass Beleidigungen und Beschimpfungen gegen Mitarbeitende und Gremienvertreter entschieden entgegenzutreten ist. Leider kommt auch so etwas in dieser Situation vor.“

Wie Kannacher sagt, sei es der Projektleitung und vielen Engagierten in den gewählten Gremien wichtig, Verantwortung wahrzunehmen. „Den Kopf in den Sand zu stecken, ist keine christliche Grundhaltung. Den Kopf hinzuhalten, das braucht allerdings hin und wieder auch eine Ermutigung, vielleicht auch mal vom Bischof selbst.“

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