Themenwoche „Vergessene Konflikte“ (3) - Nordirland

In Nordirland hat sich Situation entspannt - Konflikte gibt es dennoch

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Claire Richter ist Nordirin. Sie zog nach Dublin, dann in die USA, lernte in Irland ihren aus Deutschland stammenden Ehemann kennen. Claire Richter lebt mit ihrer Familie seit 2014 in Haltern am See.

Ich wurde 1968 in Belfast geboren. Ich bin Katholikin, hatte eine recht glückliche Kindheit trotz der „troubles“. Aber ich kann mich auch erinnern, dass ich einmal von einem protestantischen Mädchen im Schwimmbad ohne Grund mit einem Föhn geschlagen wurde. Ich war acht, sie war 13 bis 15 Jahre, schätze ich.

Das schlimmste Erlebnis für mich aber war, dass mein Onkel bei einem Anschlag der IRA (deutsch: Irisch-Republikanische Armee) ermordet wurde. Mein Vater betrieb ein Geschäft in einem protestantischen Einkaufszentrum, was der IRA nicht passte. Er verkehrte in einer Kneipe, wo zu der Zeit Gerry Adams als Barkeeper gearbeitet hat, der spätere Präsident der Partei Sinn Fein. Die galt als politischer Arm der IRA.

In Dublin zunächst kritisch beäugt

Themenwoche: Vergessene Konflikte
Am 24. Februar 2022 marschierte Russland in der Ukraine ein – und stürzte mindestens Europa in eine der schwersten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg. Ab dem 7. Oktober 2023 verschärfte sich die Gefahrenlage mit den Terror-Attacken der Hamas auf Israel. So fürchterlich diese Kriege sind – sie lassen andere brutale Konflikte aus dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit verschwinden. Kirche+Leben holt sie zurück in den Fokus.

Mein Vater sprach offen mit ihm, weil er wegen des nicht-katholisch klingenden Nachnamens Adams geglaubt hatte, er sei Protestant. In Wahrheit hat er meinen Vater aber wohl ausgehorcht, und viele andere Gäste auch, als er dort angestellt war. Bei dem Anschlag wurde dann mein Onkel getötet, eine Frau schwer verletzt.  Auch die Attentäter starben. Mein Vater war zu der Zeit noch nicht im Laden gewesen.

Wir sind später nach Dublin gezogen. Da wurde man zunächst misstrauisch betrachtet, wenn man aus Nordirland kam. Aber dann habe ich auch dort Freunde gefunden.

Nordirland: Katholiken nicht überall erwünscht

Zum Glück hat sich die Situation in Nordirland inzwischen deutlich entspannt, auch wenn es immer noch Konfliktpotenzial gibt: zum Beispiel, wenn die protestantischen Oranier ihre Märsche veranstalten, die viele Katholiken als Provokation auffassen.

Es ist gut, dass es jetzt wieder eine eigene Provinzregierung für Nordirland gibt, in der die Parteien zusammenarbeiten. Ich würde aber auch heute noch jemandem mit einer starken katholischen Prägung nicht empfehlen, sich in sehr protestantisch-loyalistischen Gegenden wie Lisburn niederzulassen. Ich weiß nicht, ob man dort Nachteile zu befürchten hätte. Ich lebe länger nicht mehr in Nordirland, aber zumindest hat man es als Katholik schwerer in solchen Gegenden.

Worum geht es in diesem Konflikt?
Der Konflikt entstand aus der Aufteilung Irlands in Nordirland und die Republik Irland 1922. Zu diesem Zeitpunkt waren das Vereinigte Königreich Großbritannien und Irland seit über 100 Jahren vereint, nach einem Unabhängigkeitskrieg aber spaltete sich die Insel. Während die Minderheit der katholischen Nationalisten in Nordirland weiterhin die Wiedervereinigung der Insel forderte, wollte die Mehrheit der protestantischen Loyalisten Teil des Vereinigten Königreichs bleiben. Die „troubles“ liefen während der gesamten 70er-, 80er- und frühen 90er-Jahre und kosteten mehr als 3.000 Menschen das Leben. (mawe)

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