Themenwoche „Vergessene Konflikte“ (2) - Nigeria

In Nigeria hält die Unterdrückung an - obwohl der Krieg 1970 endete

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Fidelis Ejiogu (53) gehört zu den Igbo, die in Biafra im heutigen Nigeria leben. Der Krieg vor mehr als 50 Jahren wirkt bis heute nach. In Münster erzählt er von einem der blutigsten Konflikte Afrikas.

Im heutigen Nigeria leben drei große Volksgruppen: die Igbo, die Yoruba und die Hausa. Die Hausa sind Muslime, die Igbo sind Christen. Während der britischen Kolonialzeit haben viele Igbo die Chancen genutzt, die ihnen die Bildungseinrichtungen boten. Deshalb stiegen sie auf gute Posten in Behörden und Wirtschaft auf. Außerdem liegen die wichtigsten Ressourcen Nigerias, die Ölvorkommen, in Biafra. Das löste Neid und Hass aus.

Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1960 begannen die Volksgruppen, um die Vormacht in Nigeria zu streiten. Die Hausa versuchten, das Land zu islamisieren. Nach einer Zeit der Unruhen wurde in Ghana ein Vertrag geschlossen: Die Volksgruppen sollten eine gewisse Selbstständigkeit erlangen, aber auch zu einem Bundesstaat beitragen. An diesen Vertrag haben sich die Hausa-Führer nie gehalten. Dabei hatten sie auch die Rückendeckung der Briten, weil die Zentralregierung die Ölquellen kontrollierte.

Unterdrückung in Nigeria hält an

Themenwoche: Vergessene Konflikte
Am 24. Februar 2022 marschierte Russland in der Ukraine ein – und stürzte mindestens Europa in eine der schwersten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg. Ab dem 7. Oktober 2023 verschärfte sich die Gefahrenlage mit den Terror-Attacken der Hamas auf Israel. So fürchterlich diese Kriege sind – sie lassen andere brutale Konflikte aus dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit verschwinden. Kirche+Leben holt sie zurück in den Fokus.

Die Unterdrückung der Igbo dauert an, auch wenn der Krieg 1970 endete. Es gibt eine Bewegung, die weiterhin die Unabhängigkeit Biafras anstrebt. Deren Führer werden aber immer wieder von der Polizei verhaftet und tauchen nicht wieder auf. Vermutlich werden sie auch umgebracht.

Zudem kommt es immer wieder zu Übergriffen der Polizei. Zum Beispiel gibt es viele Straßenkontrollen in Biafra, wo Schmiergeld verlangt wird. Das erschwert den Handel mit der Region.

Ich gehöre in Deutschland einem Biafra-Verein an. Die Behörden in Nigeria wissen das. Deshalb war ich seit zehn Jahren nicht mehr in Biafra. Meine Frau und meine Kinder haben zuletzt im Juli das Land besucht. Für mich wäre das offiziell kaum möglich. Mit meiner Schwester und meinen Brüdern halte ich per Telefon, Video-Call und E-Mail Kontakt. Viele Igbo leben in Angst.

Worum geht es in diesem Konflikt?
Einer der Auslöser des Biafra-Kriegs war ein Putsch in Nigeria Anfang 1966. Nach einem Gegenputsch der früheren Regierung Mitte 1966 kam es zu einem Pogrom, dem mehrere zehntausend Igbo zum Opfer fielen. Aus allen Regionen Nigerias flohen Igbo nach Biafra. Der Militärgouverneur der Ostregion, ein Igbo, rief 1967 die Unabhängigkeit Biafras aus. Nigerianische Truppen, vor allem von der Ex-Kolonialmacht Großbritannien unterstützt, griffen an. Sie eroberten die Hafenstadt Port Harcourt, Biafra konnte von See nicht mehr versorgt werden. Die Region wurde ab 1968 per Luftbrücke versorgt. Ein kirchliches Bündnis versorgte die Menschen in Biafra 22 Monate lang im Wert von 116 Millionen Mark. 1970 kapitulierte Biafra. Die Zahl der Toten wird auf mindestens zwei Millionen geschätzt – vor allem Hungertote während der Blockade. (jjo)

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