Themenwoche „Vergessene Konflikte“ (4) - Kolumbien

Kolumbiens Friedensprozess bleibt brüchig - trotz Fortschritten

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Kolumbien kommt nicht zur Ruhe – auch nicht nach dem Friedensvertrag von 2016. Ulrike Purrer (47) leitet seit 2012 das katholische Jugendzentrum „Centro Afro“ in Tumaco im Südwesten. Ihre Jugendarbeit wird vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt. Die Theologin schildert die aktuelle Situation im Land.

Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von 2016 zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla wurde weit über die Landesgrenzen hinaus euphorisch gefeiert. Mehr als 13.000 Guerilleros legten damals landesweit die Waffen nieder, und Präsident Juan Manuel Santos erhielt sogar den Friedensnobelpreis. Doch die Umsetzung dieses Friedens ist ein langwieriger Prozess, der noch längst nicht abgeschlossen ist.

In einigen Regionen war die Gewalt zunächst sogar noch einmal angestiegen, denn der Abzug der FARC hatte ein Machtvakuum hinterlassen, das der Staat nicht zu füllen vermochte. Hier in Tumaco geht es dabei um die Vormachtstellung im Drogengeschäft – bei einer Arbeitslosigkeit von über 70 Prozent für viele Familien die einzig ernstzunehmende, wenn auch riskante Einnahmequelle.

Hoffnung auf Frieden

Themenwoche: Vergessene Konflikte
Am 24. Februar 2022 marschierte Russland in der Ukraine ein – und stürzte mindestens Europa in eine der schwersten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg. Ab dem 7. Oktober 2023 verschärfte sich die Gefahrenlage mit den Terror-Attacken der Hamas auf Israel. So fürchterlich diese Kriege sind – sie lassen andere brutale Konflikte aus dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit verschwinden. Kirche+Leben holt sie zurück in den Fokus.

Hoffnung macht hingegen das Regierungsziel des ersten kolumbianischen Mitte-Links-Präsidenten Gustavo Petro, der sich für einen „totalen Frieden“ mit allen bewaffneten Gruppen einsetzt. Seine Regierung investiert zudem spürbar mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen in den Bereich Friedenskultur, was besonders an unserer historisch extrem vernachlässigten Pazifikküste sehr positiv von der Bevölkerung wahrgenommen wird.

Die Gewalt in Tumaco ist in letzter Zeit deutlich gesunken, doch die Menschen trauen dem Frieden noch nicht so recht. Bombenexplosionen und Schießereien sind ihnen noch in viel zu frischer Erinnerung. Um dem vielschichtigen Konflikt rund um den Drogenhandel nachhaltig das Wasser abzugraben, bedarf es noch etlicher struktureller Verbesserungen: Arbeitsplätze und Bildung, Infrastruktur für Handel und Tourismus sowie einen funktionierenden Justizapparat. Dann kann die nächste Generation vielleicht in Frieden aufwachsen.

Worum geht es in diesem Konflikt?
Seit der Niederwerfung des Drogenkartells von Medellin in den 1990er Jahren und der teilweisen Entwaffnung der linksgerichteten FARC-Rebellen Mitte der 2010er Jahre hat die Staatsmacht in großen Teilen des Landes die Hoheit zurückgewonnen. Friedensprozess und wirtschaftlicher Aufschwung sind jedoch brüchig; Kriminalität, Drogenhandel und Perspektivlosigkeit in Teilen der Jugend bleiben präsent. Seit den 1990er Jahren verzeichnet das Land ein stetiges Wirtschaftswachstum. Wichtigste Exportgüter sind Kaffee, Erdöl, Kohle, Tee, Kakao, Gewürze, Bananen und Blumen – und Kokain. (kna)

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