Dogmatik-Professorin: Franziskus löst viele Dynamiken aus

Julia Knop: Papst folgt nicht autoritativen Mustern des 19. Jahrhunderts

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Die Erfurter Dogmatik-Professorin Julia Knop sieht nicht nur die Kirche, sondern auch die Art im Wandel, wie die Lehre verkündet und durchgesetzt werden kann. Sie sagt, warum die Zeit autoritativer Lehrsätze vorbei ist.

Die Erfurter Theologieprofessorin Julia Knop beobachtet einen dramatischen Wandel in der katholischen Kirche. „Wir erleben gerade eine Art Kontinentalverschiebung in der Vorstellung, wie eine globale Kirche organisiert werden sollte und wie ein Lehramt der Zukunft aussehen könnte“, sagte die Dogmatikerin zu „katholisch.de“.

Papst Franziskus habe viel in Bewegung gebracht und „macht manches einfach anders. Er folgt nicht dem autoritativen Muster lehramtlichen Sprechens des 19. Jahrhunderts, sondern redet in Interviews, bei fliegenden Pressekonferenzen, in Fußnoten, in persönlichen Briefen“.

„Mehrdeutige Signale“

Immer wieder betone er, die Realität sei wichtiger als die Idee. Auch habe er die Aufgabe des Glaubenspräfekten neu bestimmt: „Das Dikasterium für die Glaubenslehre soll künftig nicht mehr primär die Lehre einschärfen, sondern dazu beitragen, dass sich die Kirche in der Interpretation der Offenbarung weiterentwickelt. Sie soll also nicht verbieten und einengen, sondern ermöglichen und Horizonte weiten.“

Strukturelle und lehrmäßige Konsequenzen dieses Ansatzes seien bisher allerdings die Ausnahme, sagte Knop. „Franziskus sendet also mehrdeutige Signale. Er setzt Dynamiken in Gang, deren Wirkung noch nicht absehbar ist.“

„Eine Wahrheit muss sich im Leben bewähren“

Diese Haltung von Franziskus löse in konservativen Kreisen erhebliche Widerstände aus, beobachtet die Dogmatikerin. „Wer befürchtet, dass die Gläubigen durch Reformdebatten verwirrt werden, sieht die Aufgabe des Lehramts vor allem darin, Eindeutigkeit zu stiften und das ,depositum fidei', das Glaubensgut, ,unversehrt' durch die Zeiten zu tragen. Glaube ist in diesem Verständnis Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, den die Bischöfe und der Papst sicher erkennen und in Lehrsätzen vortragen.“

Das ist aus Sicht der Professorin allerdings ein Irrweg. Gerade in Religionen sei die Versuchung groß, vermeintlich eindeutige Positionen auch dann noch als wahr zu behaupten, wenn sie nicht mehr einleuchteten oder die Wirklichkeit längst über sie hinweggegangen sei, sagte Knop. „Aber eine ,Wahrheit', die sich nicht im Diskurs und im Leben bewährt, sondern autoritativ durchgesetzt werden muss, ist keine Heilszusage, sondern eine Kampfansage. Auch dann, wenn es um Gott geht.“

„Ständige Auseinandersetzung mit der Lehre“

Knop ermunterte die Kirche zur ständigen Auseinandersetzung mit Glauben und Lehre. „Was wahr, also sinnstiftend und lebensförderlich, ist, muss sich in der Auseinandersetzung und in der Realität bewähren. Und was verbindlich gelten soll, braucht das Commitment derer, die sich daran binden sollen. Das geht nicht mehr über autoritativ vorgetragene Lehren oder eindeutige Sätze.“

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