Zum Tod des langjährigen Kolping-Diözesansekretärs und CDU-Politikers

Karl Schiewerling – katholisch, sozial und ein wahrer Kolpingsohn

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Über mehrere Jahrzehnte hat Karl Schiewerling aus Nottuln die katholischen Verbände geprägt und als CDU-Bundestagsabgeordneter von 2005 bis 2017 die sozialpolitischen Leitlinien seiner Partei mitbestimmt. Im Alter von 69 Jahren ist er am 28. Februar nach einem langen Krebsleiden gestorben. Ein Nachruf.

Politik und Kirche haben das Leben von Karl Schiewerling bis in seine letzten Lebenstage geprägt. „Ich bin ein überzeugter Katholik“, sagte er vor einigen Wochen im Gespräch mit "Kirche-und-Leben.de", als er schon sehr von seinem Krebsleiden gezeichnet war, aber dennoch mit wachem Interesse die kirchliche Entwicklung in seinem Heimatbistum Münster und darüber hinaus und die politischen Entscheidungen, ob in Berlin, in Düsseldorf oder in seinem Heimatort Nottuln im Kreis Coesfeld, beobachtete und kommentierte.

Das christliche Menschenbild in Politik und Gesellschaft zu vertreten, war seine Sache, der er sich mit Leidenschaft verschrieb. 20 Jahre war er Diözesansekretär des Kolpingwerks des Bistums Münster, bevor er 2005 als Abgeordneter für die CDU in den Bundestag einzog und dort bis 2017 als prägender Kopf die Arbeits- und Sozialpolitik mitbestimmte. Nach seiner Zeit im Bundestag leitete er als Co-Vorsitzender die Rentenkommission der Bundesregierung.

 

Perspektiven für Jugendliche

 

Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und aktive Sozialpolitik war für Karl Schiewerling eine Selbstverständlichkeit. Der Sohn eines Sekretärs der Katholischen Arbeiter-Bewegung (KAB) in Essen erlebte, wie notwendig es ist, Menschen Perspektiven für ein gelingendes Leben zu geben. Sein Elternhaus war politisch, sein Vater war Mitgründer der CDU in Essen und ebenfalls kirchlich engagiert.

Jungen Menschen Perspektiven geben, das wollte Karl Schiewerling mit seinem von ihm vor wenigen Jahren auf den Weg gebrachten Projekt „Respekt“ für Kinder und Jugendliche, die aus Familien stammen, die über Generationen Sozialhilfe beziehen. Mitarbeiterinnen der Tafel in Coesfeld machten ihn darauf aufmerksam, dass Jugendliche oft auf einer Bank übernachteten, die vor der Tafel steht, weil sie über Nacht zu Hause rausgeworden wurden. Sie hatten das 18. Lebensjahr erreicht, und somit wollten ihre Eltern, dass sie ausziehen. Diese jungen Menschen regelrecht von der Straße zu holen, war ein Anliegen Schiewerlings.

 

„Alle haben Begabungen“

 

Eines der 18 bundesweiten Modellprojekte von „Respekt“ wurde an das Kolpingwerk der Diözese Münster vergeben. Schiewerlings Credo hieß: „Alle Kinder und Jugendlichen haben Begabungen und Fähigkeiten, die wir wecken, stärken und unterstützen müssen, damit sie später einmal in der Lage sind, eigenständig zu leben und ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu verdienen. Nur so können wir die Schleife von vererbender Sozialhilfe durchbrechen. Wir dürfen dabei keinen zurücklassen.“

Ganz im Sinn des Gesellenvaters Adolph Kolping hat der langjährige Vorsitzende für Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewirkt, als er wesentliche Gesetzes-Initiativen auf den Weg brachte. Zu nennen wären die Förderung schwer zu erreichender junger Menschen im Sozialgesetzbuch (SGB II), der Weg der großen Reform des Rechts für Menschen mit Behinderungen im Bundesteilhabegesetz sowie der Weg zum Mindestlohngesetz und zum Rentenpaket 2014.

 

Kritik an der Fleischindustrie

 

2010 überreichten Vertreter katholischer Verbände aus dem Bistum Münster im Berliner Reichstagsgebäude Unterschriftenlisten für ein besseres Rentenmodell. Das Bild zeigt die damalige Bundesarbeiterministerin Ursula von der Leyen (links) im Gespräch mit den katholischen Verbandsvertretern Ulrich Oskamp, Elsbeth Knossalla, Gabriele Koetz, Bernhard Bockhorst und Johannes Norpoth (von rechts). Bei der Zusammenkunft in Berlin nahmen auch Staatssekretär Andreas Storm und der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl Schiewerling (3.v.l.) teil. | Foto: Johannes Bernard
2010 überreichten Vertreter katholischer Verbände aus dem Bistum Münster im Berliner Reichstagsgebäude Unterschriftenlisten für ein besseres Rentenmodell. Das Bild zeigt die damalige Bundesarbeiterministerin Ursula von der Leyen (links) im Gespräch mit den katholischen Verbandsvertretern Ulrich Oskamp, Elsbeth Knossalla, Gabriele Koetz, Bernhard Bockhorst und Johannes Norpoth (von rechts). Bei der Zusammenkunft in Berlin nahmen auch Staatssekretär Andreas Storm und der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl Schiewerling (3.v.l.) teil. | Foto: Johannes Bernard

Im Bundestag fand Schiewerling immer wieder klare Worte, dass Arbeitnehmerrechte zu achten sind und ein christliches Menschenbild im Wirtschaftsleben zu gelten hat. Ein Beispiel ist seine Rede 2014 zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und die Auswirkungen in der Fleischindustrie, als er sagte: „Ich hoffe sehr, dass die Zeitungsmeldungen von menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen von Arbeitnehmern in der Fleischindustrie bald ein Ende haben. Da haben wohl einige Unternehmer und Unternehmen die Liberalisierung des Arbeitsmarktes gründlich missverstanden. Wer glaubt, er könne mit Arbeitnehmern umgehen wie mit dem Fleisch, das man verarbeitet, der muss wissen, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch andere Unternehmer und die Ethik des Unternehmers in höchstem Maße beschädigt.“

Besonders prägend war für den Sozialpolitiker der Vorsitz des Kardinal-Höffner-Kreises, den er 2013 übernahm. Dieser nach dem früheren Kölner Erzbischof und Sozialehtiker Joseph Höffner (1906-1987) benannte Zusammenschluss katholischer Abgeordneten, die aus den Werten der katholischen Soziallehre heraus Politik machen, trifft sich regelmäßig mit Bischöfen und Kirchenvertretern zu Gesprächen, um gesellschaftliche Entwicklungen zu erörtern. Die Position von Schiewerling war eindeutig: „Was wir auch in der Politik brauchen, ist ein klares Werteverständnis, so wie es die katholische Soziallehre vermittelt.“

 

Stationen katholischer Verbandsarbeit

 

Die katholische Verbandsarbeit hat Karl Schiewerling geprägt, und er hat katholische Verbände geformt. 1973 wurde der gelernte Industriekaufmann als 22-Jähriger hauptamtlicher Jung-Sekretär der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) in Essen, 1978 Bundessekretär des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in Düsseldorf und schließlich 1984 Diözesansekretär beim Diözesanverband Münster des Kolpingwerks, eine Aufgabe, die er bis 2005 wahrnahm. Von 2002 bis 2017 wirkte er zusätzlich als ehrenamtlicher Landesvorsitzender des Kolpingwerks in Nordrhein-Westfalen.

Von 1984 bis 2004 war Schiewerling stellvertretender Vorsitzender des Diözesankomitees der katholischen Verbände im Bistum Münster, später Diözesankomitee der Katholiken. Über diesen Weg gehörte er auch dem Diözesanpastoralrat des Bistums an. In den 1990er Jahren markant war das Diözesanforum „Mit einer Hoffnung unterwegs“, das nicht zuletzt auf Initiative des Kolpingwerks auf den Weg gebracht wurde. Anlass dieses Forums waren das rasante Ausscheiden vieler Priester aus dem Bistum und die damit verbundenen Frage, wie sich das Bistum in Zukunft aufstellen soll, und der Wunsch nach Mitwirkung der Laien bei diesen Prozessen.

 

„Große Chance für Laien vergeben“

 

Über das drei Jahre dauernde und 1997 beendete Diözesanforum vertrat Schiewerling eine klare Position, als er sagte: „Die Ergebnisse des Diözesanforums spielten de facto keine Rolle. Es wurde eine große Chance für einen gemeinsamen Weg und die Beteiligung der Laien vergeben. Schon damals zeichnete sich ab, dass die Bistumsleitung diesen Prozess nur widerwillig mitging.“

Karl Schiewerling hat auf politischer und verbandlicher Ebene vieles bewirkt. Als Vertreter der katholischen Soziallehre wurde er nie müde zu sagen, warum der Staat auf die Mitwirkung von Christen angewiesen ist. Im kirchlichen Bereich setzte er sich für eine verstärkte Mitsprache von Laien und eine deutliche Würdigung des freiwilligen Engagements ein.

 

Förderung ehrenamtlichen Engagements

 

Als Mitglied der Ehrenamtskommission des Bistums Münster war er einer der Initiatoren des „Dialogpreises für gute Taten“, den Bistum Münster und "Kirche+Leben" vergaben. Jährlich wurde so beispielhaftes ehrenamtliches Engagement im öffentlichen Rahmen während des Neujahrsempfang des Diözesankomitees der Verbände ausgezeichnet.

Vor allem aber hatte Karl Schiewerling ein offenes Ohr für die Anliegen und Sorgen der Menschen. Mit ihnen zu sprechen, in die Schulen und Betriebe zu gehen, karitative Einrichtungen aufzusuchen, mit den Kolpingsfamilien etwas auf die Beine zu stellen - all das fiel ihm leicht dank einer großen Menschenfreundlichkeit, die ihn kennzeichnete.

Kolping-Diözesanverband Münster trauert um Karl Schiewerling
"Mit stoischer Beharrlichkeit, einem hohen Arbeitspensum, einem vielseitigen Netzwerk an Kontakten und hohem Fachwissen aus seinen langjährigen Tätigkeiten in Verbandsbereichen führte er zwei Jahrzehnte den Diözesanverband als hauptberuflicher Diözesansekretär." So würdigt der Kolping-Diözesanverband Münster den Verstorbenen. Karl Schiewerling habe das Kolpingwerk mit seinen Visionen, Ideen und Kontakten nachhaltig geprägt. Zugleich sei der Verband für ihn auch als Bundestagsabgeordneter "stets Ankerpunkt" gewesen.
Schiewerlings Lachen sei genauso ansteckend gewesen wie sein Optimismus "und die Fähigkeit, seine Mitmenschen und Mitarbeiter_innen für eine Sache zu begeistern, sie mitzunehmen, wert zu schätzen und Erfolge auch als Gemeinschaftsleistung anzuerkennen. "Jeder will doch 'nen bisken wat von der Sonne mitbekommen ...": Das sei ein Satz, mit dem Schiewerling bei Weggefährten und -gefährtinnen, Kolpingern und Politikern "in schmunzelnder Erinnerung bleiben wird". | mn

UPDATE: Stellungnahme Kolping-Diözesanverband (01.03.2021, 12:25)

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