„Vorauseilender Lärmschutz“ mache Geläut seltener

Katholische und evangelische Kirche werben für Kirchenglocken

Die einen lieben sie, die anderen stören sie - sie gehören definitiv zu jeder Kirche. Das „Deutsche Glockenwesen“ beklagt, dass immer weniger geläutet wird. Deutsche Bischofskonferenz und Evangelische Kirche wollen jetzt gemeinsam etwas dagegen tun.

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Zum öffentlichen Guss einer Glocke ist es zwar nicht gekommen, dennoch haben die beiden großen Kirchen in Karlsruhe ihre Kampagne „Hörst du nicht die Glocken?“ gestartet. Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wollen damit auf die religiöse und kulturelle Bedeutung der Kirchenglocken hinweisen. Der geplante Glockenguss musste verschoben werden, da die Glockenmasse nicht die notwendige Temperatur erreicht hatte. Rund 1.500 Zuschauer hätten dieses Schauspiel gern verfolgt.

Der badische evangelische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh betonte die Bedeutung der Glocken als hilfreiche Unterbrechung des Alltags. „Der Klang der Glocken erinnert daran, dass Gott den Menschen frei macht zu beten und danach zu fragen, was wirklich zählt“, sagte er bei einer vorhergehenden Pressekonferenz.

 

Einnerung an geschenkte Zeit

 

Die Glocke signalisiere dem Menschen, regelmäßig innezuhalten. Dadurch bewahre der Einzelne seine innere und äußere Freiheit. Überall, wo der Klang der Glocken zu hören sei, gelte: „Die Zeit wird uns geschenkt; sie ist uns von Gott anvertraut, um sie zu nutzen; sie hat Anfang und Ende.“

Das Ziel der in Baden entwickelten Kampagne sei es, das individuelle und gemeinsame Beten im Tageslauf neu zu entdecken, erklärten die Organisatoren der Kampagne. Zudem solle der Glockenklang Menschen helfen, sich in ihrer eigenen Spiritualität berühren zu lassen.

 

Mahnung des Deutschen Glockenwesens

 

Hans Schnieders vom Deutschen Glockenwesen sagte, noch vor zwei, drei Jahrzehnten hätten zahlreiche Glocken mehrmals täglich geläutet. Heute erklängen viele Glocken nur noch einmal am Tag. „Teils hängt das mit Sanierungen zusammen, viele läuten ihre Glocken aber aus einem vorauseilenden Lärmschutz immer seltener“, sagte Schnieders. Dabei sei die Glocke immaterielles Kulturerbe und dringend erhaltungsbedürftig.

Der ehemalige Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch erinnerte an die Geschichte der Glocken. „Seit 1.500 Jahren begleiten sie die Wege der Menschen in Europa.“ Sie seien zu Festen erschallt, hätten zu wichtigen Ereignissen, zu Gottesdiensten sowie Gebeten eingeladen und prägten über Jahrhunderte den Tagesablauf, erklärte der frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz.

 

Ökumenisches Geläut

 

Laut Daniel Meier, Pressesprecher der badischen Landeskirche, soll der geplante Glockenguss in der kommenden Woche nachgeholt werden. Sie wird den Angaben zufolge 140 Kilogramm wiegen und einen Durchmesser von 61 Zentimetern haben. Sie soll künftig in einer von zwei Gemeinden ökumenisch genutzten Kirche in Mannheim, der St. Pius- und Thomasgemeinde, erschallen. Die Gießerei Bachert hat unter anderem die Glocken für den Hamburger Michel und die Dresdner Frauenkirche gegossen.