Ökumenischer Gottesdienst im Mainzer Dom

Kirchen und Politik gedenken der deutschen Einheit

27 Jahre nach der Wiedervereinigung haben die Spitzen des Staates und die Kirchen den Tag der deutschen Einheit mit einem ökumenischen Gottesdienst im Mainzer Dom begonnen. Dank und Aufrufe zu Toleranz prägten die Ansprachen.

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Ein ökumenischer Festgottesdienst im Mainzer Dom hat am Dienstag unter dem Motto „Zusammen sind wir Deutschland“ den Startpunkt für die zentrale Feier des Tags der Deutschen Einheit gesetzt. Unter den rund 800 Gäste befanden sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und amtierende Präsidentin des Bundesrats, Malu Dreyer (SPD).

In seiner Predigt rief der Präsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, dazu auf, für Glaubens- und Gewissensfreiheit einzustehen. Unterschiedliche Überzeugungen sollten nicht in Gewalt gipfeln, sondern in einer Atmosphäre der Toleranz und des Respekts ausgehalten werden. Christen in Mittel- und Ostdeutschland seien es gewesen, die mit friedlichen Montagsgebeten und Märschen der Freiheitsliebe eine Stimme gegeben hätten.

 

Bischof Kohlgraf: Ein „prächtiges Land“

 

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hatte in seiner Begrüßung von Deutschland als einem „prächtigen Land“ gesprochen. Er forderte dazu auf, sich bewusst zu machen, dass nicht alles allein in menschlichen Händen liege, manches auch ein kostbares Geschenk sei. „Einheit, Freiheit und Frieden – seit nunmehr 27 Jahren. Heute wollen wir Gott Dank sagen.“

Malu Dreyer dankte beim anschließenden Festakt den Kirchenmännern für den Gottesdienst. „Er hat uns schon die tiefe menschliche Bedeutung von Freiheit erschlossen“, sagte sie. Zum Nationalfeiertag erklärte sie, dass er eine Einladung sei, „den wunderbaren Geschmack gewonnener Freiheit noch einmal zu kosten – gerade weil nach 27 Jahren der Freudentaumel der Wiedervereinigung dem Alltagsglück des vereinigten Deutschlands gewichen ist“.

 

Bundespräsident Steinmeier: Bekenntnis zur deutschen Geschichte

 

Frank-Walter Steinmeier pochte in seiner Rede auf eine Auseinandersetzung mit neu entstandenen Mauern in Deutschland. Diese stünden dem gemeinsamen „Wir“ im Wege. Entfremdung, Enttäuschung oder Wut sei bei manchen so fest geworden, dass Argumente sie nicht mehr erreichten. Zudem erklärte der Bundespräsident, dass das Bekenntnis zur deutschen Geschichte unverhandelbar sei. Dies erwarte er auch von Zuwanderern und erst recht von Abgeordneten des Deutschen Bundestages. „Die Verantwortung vor unserer Geschichte kennt keinen Schlussstrich“, fügte er hinzu.

Angela Merkel erklärte am Abend, dass nach 27 Jahren die Aufgaben nicht weniger geworden seien, aber im Rückblick könne gesagt werden: „Vieles in der deutschen Einheit ist uns geglückt. Das sollte uns die Kraft geben, auch die ausstehenden Probleme zu lösen.“

 

Kardinal Marx: „Demokratie läuft nicht von selbst“

 

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, rief die Bevölkerung zum gesellschaftlichen Engagement auf. „Die Demokratie läuft nicht von selbst“, sagte der Erzbischof in der Münchner Dreifaltigkeitskirche. Ein demokratisches offenes Gemeinwesen brauche ständigen Einsatz.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warnte: „Nationalismus ist eine Erscheinungsform von Sünde.“ Wenn ein Volk nur noch sich selber sehe und nicht mehr die anderen, dann sei das ein Zeichen von Sünde, so wie der Reformator Martin Luther sie verstanden habe, sagte er.

Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, teilte via Twitter mit, dass der Tag der Deutschen Einheit für die Muslime auch ein Tag der Freude und Dankbarkeit für den friedlichen Zusammenhalt Deutschlands sei.

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