Mittelalterliches Werk wird ab 14. Mai wieder öffentlich ausgestellt

Liesborner Evangeliar: Wertvolle Handschrift nun in spektakulärem Raum

  • Das Liesborner Evangeliar wird ab dem 14. Mai wieder öffentlich ausgestellt.
  • Die mittelalterliche Handschrift ist Mittelpunkt eines spektakulär umgestelteten Ausstellungsraums im Museum Abtei Liesborn in Wadersloh.
  • Das Evangeliar zählt zum Kulturgut der Bundesrepublik Deutschland.

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Wer den sakral anmutenden Raum betritt, dessen Augen müssen sich nicht nur an die Dunkelheit gewöhnen - es verschlägt dem Besuchenden für einen Augenblick auch die Sprache. Man hat das Gefühl, sich in einer Kathedrale des 21. Jahrhunderts zu befinden - mit acht Meter hohen Wänden aus 22 je eine Tonne schweren Stahlplatten, auf denen bekannte Stellen des Neuen Testaments wie die Bergpredigt oder die Weihnachtsgeschichte auf vier Kilometern Schrift eingefräst worden sind.

Das zentrale Objekt in dem spektakulär umgestalten Ausstellungsraum befindet sich hinter einbruchsicheren Glasscheiben in einer ausgeleuchteten Vitrine: Das Liesborner Evangeliar aus dem frühen Mittelalter ist aus Westfalen in die Welt und zurück an seinen ursprünglichen Bestimmungsort gekehrt. In der Geschichte des Museums Abtei Liesborn wird ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Bürgerfest zur Eröffnung

Am Mittwoch öffneten sich zunächst für die Medien die Türen zur neuen Dauerausstellung. Sie wird am 13. Mai mit einem Festakt im Beisein der nordrhein-westfälischen Kulturministerin Ina Brandes offiziell eröffnet. Am 14. Mai werden die Räume mit einem großen Bürgerfest von 10 bis 18 Uhr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Beim Liesborner Evangeliar soll es sich um eine der ältesten, vollständig erhaltenen Handschriften des frühen Mittelalters handeln. Sie entstand wohl zur Blütezeit der Buchmalerei in einer unbekannten Werkstatt, vermutlich in Essen oder im Erzbistum Köln.

Teil des Kulturguts der Bundesrepublik

Die Pergamentschrift, für die 85 Rinder geopfert werden mussten, enthält die vier Evangelien. Die Vorderseite des ersten Blattes des Evangeliars nimmt ein wohl im zwölften Jahrhundert entstandenes kreisförmiges Pater-Noster-Diagramm ein. Das Objekt gehört zum Kulturgut der Bundesrepublik Deutschland. Es steht unter besonderem Schutz und darf Deutschland nicht mehr verlassen.

Zu den Besonderheiten des Buches gehört ein Widmungsgedicht der Äbtissin Berthildis, „Mutter der frommen Dienerinnen“, vom Anfang des elften Jahrhunderts, die das karolingische Evangeliar dem Heiligen Simeon als Patron des Klosters zum Geschenk machte.

Erst Damenstift, dann Benediktinerkloster

Um 1520 erhielt die Handschrift einen neuen Einband mit einer Kreuzigungsszene im Mittelpunkt und den Symbolen der vier Evangelisten in den Ecken. „Es handelt sich um einen der wenigen erhaltenen geschnitzten Eichenholzdeckel des Spätmittelalters“, berichtet Museumsleiter Sebastian Steinbach.

Aufgrund von Anmerkungen, Ergänzungen und Korrekturen aus dem Mittelalter verrate das Buch viel über seine liturgische Verwendung im Kloster. Im neunten Jahrhundert zunächst als Damenstift gegründet, wurde der Konvent 1130 in ein Benediktinerkloster umgewandelt bis zu seiner Aufhebung am 2. Mai 1803 durch das Königreich Preußen.

Evangeliar für drei Millionen Euro angekauft

Liesborn, Münster, Hamm, Cheltenham, Philadelphia, Camarillo, Los Angeles, Oslo, New York, Paris und Maastricht lauten die Namen der Orte, an denen das Liesborner Evangeliar auf seiner abenteuerlichen Reise durch die Welt Station gemacht hat. Es befand sich in den Händen namhafter Sammler, bis es 2015 auf einer internationalen Kunstmesse in Maastricht zum Kauf angeboten wurde. Von da an setzte der Warendorfer Landrat Olaf Gericke alles daran, das Buch zurück in die Abtei Liesborn zu holen.

In einem gut zweijährigen Prozess gelang es mit Hilfe von vielen Förderern und Sponsoren, darunter der Sparkasse Münsterland Ost, das Kunstwerk für drei Millionen Euro von einer New Yorker Sammlerin zu kaufen. Der nicht unumstrittene Erwerb löste auch angesichts der Kosten eine öffentliche Kontroverse aus. Zumal weiteres Geld in die Hand genommen werden musste, um die Abtei in den vergangenen Jahren aufwändig umzubauen.

Museum neu gestaltet

Insgesamt 2,7 Millionen Euro wurden in die Neugestaltung des Museums investiert, davon übernahm der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eine Million Euro, die vor allem in die inklusive Gestaltung flossen. Menschen mit Handicaps, ob seh- oder hörbehindert, können ebenfalls die Geschichte der Handschrift erfahren.

Die Gemeinde Wadersloh, die Sparkasse Münsterland Ost und der Förderverein des Museums unterstützen den Umbau ebenfalls. Die vom Kreistag bewilligten 1,5 Millionen Euro bezeichnete Gericke als „ganz wichtige kulturpolitische Investition“ für die Region. Kultur spiele sich nicht nur in den großen Zentren ab, sondern auch in der Fläche, betonte LWL-Direktor Georg Lunemann.

Digital im Evangeliar blättern

Zur neuen Dauerausstellung gehört auch eine digitale Klosterbibliothek. Ausstellungsstücke sollen so besonders für Kinder und Jugendliche erlebbar gemacht werden. Mitmachen, anfassen, selbst aktiv werden - das ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht, sagt Museumsleiter Steinbach.

Besucherinnen und Besucher können sich an einem digitalen Lesepult auf eine Reise in die Welt vor 1.000 Jahren und die wechselhafte Geschichte des Klosters begeben, im Evangeliar blättern und lesen. Die lateinischen Texte sind übersetzt worden. Auch Personen aus der Abteigeschichte wie die erste Äbtissin Berthildis können zum Sprechen gebracht werden. Und die heißt große und kleine Besucher willkommen zum Sehen und Staunen.

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