Sonderausstellung in der Stiftskammer Freckenhorst

1000 Jahre altes Glaubenszeugnis - die Story des Emma-Evangeliars

  • Ein einzigartiges Zeugnis der frohen Botschaft Jesu wird in Warendorf-Freckenhorst der Öffentlichkeit präsentiert.
  • Das Emma-Evangeliar ist vor mehr als 1000 Jahren geschrieben worden.
  • In der Sonderausstellung werden Schätze der Stiftskammer gezeigt.

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Emma! Bei diesem Namen denken viele an die gleichnamige feministische Publikumszeitschrift. Aber wer weiß schon, dass vor mehr als 1000 Jahren eine Frau namens Emma der Nachwelt ein einzigartiges Zeugnis der frohen Botschaft Jesu hinterlassen hat: das Emma-Evangeliar. Diesen Schatz können Besucher in der Freckenhorster Petrikapelle am Stiftsmarkt bewundern.

Der Gründungslegende nach sah der Schweinehirt Freckyo des sächsischen Edelherrn Everword in der Nacht ein Licht, das in den folgenden Nächten noch zunahm. Er berichtete davon seinem Herrn, der die Erscheinung bestätigt fand. Everword hörte eine Stimme, die sich als die des Apostels Petrus ausgab und ihn aufforderte, an dieser Stelle zu Ehren des Apostels eine Kirche zu errichten. Fast tausend Jahre umfasst die Geschichte des Stiftes zu Freckenhorst, das, als Kloster um 856 gegründet, am Ende des 15. Jahrhunderts in ein freiweltliches Damenstift umgewandelt und im Jahre 1811 im Zuge der Säkularisation aufgelöst wurde.

Geschenke von den Bischöfen Münsters

Freckenhorster Petrikapelle
Die Petrikapelle wurde in den Jahrhunderten unterschiedlich genutzt und beherbergt heute die Stiftskammer. | Foto: Maria Kessing

Die romanische Petrikapelle wurde auf den Fundamenten eines Gotteshauses aus dem 10. Jahrhundert errichtet und unterschiedlich genutzt. Unter anderem als opulentes Ankleidezimmer für die Äbtissinnen, bevor diese für Feierlichkeiten in die Stiftskirche einzogen. Irgendwann war sie Schule, auch Abstellraum, sogar als evangelische Kirche hat sie gedient. 2001 wurde aus der Petrikapelle die Stiftskammer für den kostbaren Schatz der Stiftskirche.

Diese Schätze waren Geschenke von den Bischöfen Münsters an die reichen Damen des ehemaligen Klosters. Teilweise stammen sie von den Klosterfrauen selbst. Der Förderkreis „Stiftskammer Freckenhorst e.V.“ wurde 2000 gegründet, um die Schätze des Stiftes zu erhalten, zu pflegen und ihre Bedeutung für die Geschichte des Stiftes in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Hüterin der Kostbarkeiten ist unter anderem Marie-Theres Kastner, Vorsitzende des Förderkreises Stiftskammer.

„Hungertuch“ von außergewöhnlichem Wert

Wenn sich die schwere Tür aus Kupfer zu der kleinen Saalkirche öffnet, empfängt den Besucher eine mystische Atmosphäre. Licht spenden nur einige auf dem Boden verteilte flackernde elektrische Kerzen. Das Auge muss sich erst an diese Dunkelheit, die etwas Geheimnisvolles ausstrahlt, gewöhnen.

In Vitrinen und an den Wänden kann man die Kostbarkeiten erahnen, zu denen die vollplastische Büste des Kirchenpatrons Bonifatius, Goldschmiedearbeiten des 14. bis 17. Jahrhunderts und als prächtige Schenkung einer Äbtissin ein silbernes Altarkreuz und sechs hohe Silberleuchter von 1692 gehören. Von außergewöhnlichem Wert ist auch das sogenannte „Hungertuch“, eine 4,90 mal 3,60 Meter messende Stickarbeit von 1628 mit den Szenen der Leidensgeschichte Christi.

Evangeliar medial aufbereitet

Im Mittelpunkt aber steht das am Ende des 10. Jahrhunderts entstandene illuminierte Evangeliar der Emma. „Der Förderkreis wollte neue Wege gehen, um Menschen für die Schätze in der Stiftskammer zu interessieren“, berichtet Marie-Theres Kastner. Die Geschichte der Schätze soll erzählt und dem Betrachter nähergebracht werden.

Neue Wege gehen heißt deshalb, die Kunstgegenstände zeitgemäß medial zu präsentieren. Unter dem Motto „In den Mittelpunkt gerückt“ präsentieren die Organisatoren um Marie-Theres Kastner, Gunter Tönne sowie Fotograf und Projektmanager Stephan Kube nunmehr das älteste Exponat der Stiftskammer. Bisher konnte man in dem Evangeliar (158 Seiten Pergament, Buchdeckel aus dem 17. Jahrhundert, vergoldete Silberbeschläge und Schließe, 19,0 mal 12,5 Zentimeter) nicht blättern. Ein Projektor projiziert die auf einem iPad angeklickten Seiten auf eine Wand. Bei einigen gibt es Informationen, etwa zu den einzelnen Evangelisten. Auch finden sich Übersetzungen aus dem Lateinischen, wie ein Gleichnis für Kinder. Abgerundet wird die Präsentation durch kindgerechte Illustrationen, wie bei der Geschichte des barmherzigen Samariters.

Emma lebte in Freckenhorst

Marie-Theres Kastner
Marie-Theres Kastner gehört zum Organisationsteam der Ausstellung in der Stiftskammer. | Foto: Maria Kessing

Dass es Evangeliar der Emma genannt wird, beruht auf einem lateinischen Gedicht, dessen mit roter Tinte hervorgehobene Anfangsbuchstaben jeder Zeile die Handschrift als Auftragsarbeit einer Klosterfrau mit diesem Namen kennzeichnet. Dort heißt es: „Dieses Geschenk übergibt frohgemut dem Erlöser Emma.“ Auf den Pergamentblättern sind die lateinischen Texte der vier Evangelien versammelt, aus denen den adeligen Damen vorgelesen wurde.

In dem Kloster lebten vor allem reiche, nicht verheiratete oder verwitwete adelige Frauen. So auch Emma (geboren 975 und gestorben 1038), die vermutlich nach dem Tod ihres Mannes Stiftsfrau wurde. Dabei handelt es sich jedoch um Vermutungen, so Marie-Theres Kastner. Nicht überliefert ist auch, wer die kostbare Handschrift verfasst und illustriert hat. Man vermutet eine Schreibschule im westfälischen Raum. Auf einem wunderschönen Schmuckblatt sieht man den Evangelisten Lukas, über ihm ein Symbol, der Stier, mit einer Feder und einem mit Tinte gefüllten Kuhhorn schreibend an einem Pult. „Das war eine Riesenarbeit“, erzählt Kastner, dass für die Herstellung des Pergaments eine ganze Schafherde gebraucht habe. Auch von daher besaßen solche Bücher einen hohen Wert.

Emma-Evangeliar übersteht viele Kriege

Dass das Evangeliar alle Wirren und Kriege seiner 1000-jährigen Geschichte überstanden hat, gleicht einem kleinen Wunder. So wurden die Schätze während des Dreißigjährigen Krieges in Kisten vergraben. Während der beiden Weltkriege lagerten sie im Turm der Stiftskirche in einem Panzerschrank, berichtet Gunter Tönne. So blieben die vielen Kostbarkeiten, die nach der Domschatzkammer in Münster die größte zusammenhängende Sammlung von Kirchenschätzen im westfälischen Raum ist, der Nachwelt erhalten.

Ein Besuch dieser einmaligen Sonderausstellung ist jeden Sonntag von 15 bis 16.30 Uhr möglich. Zusätzlich bietet der Förderkreis jeden zweiten Sonntag eine öffentliche Führung an: So., 21.8., So. 11.9., So. 25.9. und So. 2.10.2022. Weitere Informationen: www.stiftskammer-freckenhorst.de

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