Anzeige
Selten genug: Bei einer Veranstaltung zu einem innerkirchlichen Thema stehen eine Dreiviertelstunde vor Beginn mehr als 100 Menschen vor der Tür, um Einlass zu erhalten. Dutzende müssen sogar draußen bleiben, weil die Kapazität des Ravensburger Schwörsaals mit rund 400 Plätzen komplett ausgelastet ist.
Drinnen ging es um die „Ravensburger Erklärung“ von 2017, mit der sich Katholiken und Protestanten wechselseitig zu Eucharistie und Abendmahl in ihren Gottesdiensten eingeladen hatten. Der zuständige Rottenburger Bischof Gebhard Fürst hatte später Ortspfarrer Hermann Riedle angewiesen, die Einladung zurückzunehmen.
Enttäuschung nach dem Nein des Bischofs
Die evangelische Kirche, Oberbürgermeister Daniel Rapp (CDU) und viele Christen in der historisch stark ökumenisch geprägten Stadt reagierten verärgert, sahen sich in ihrem Engagement für das Zusammenwachsen der Kirchen behindert. Ein Schweigemarsch folgte. Fürst war daraufhin eingeladen worden, seine Position zu erläutern.
Die stellvertretende Vorsitzende des katholischen Kirchengemeinderats, Monika Braun, sagte, sie wünsche sich, dass sich die Türen der Kirchen öffnen. Ökumenisch engagierte Christen berichteten, dass sie den Tag der Unterzeichnung, den 8. Oktober 2017, nicht mehr vergessen würden.
Was in der „Ravensburger Erklärung“ steht
Damals hatten nicht nur die Seelsorger beider Konfessionen, sondern auch viele einfache Gemeindemitglieder den Text mit nur 74 Worten unterschrieben: „Hier vor Ort beginnen wir, vom Trennen zum Teilen zu gelangen, indem wir aufeinander zugehen. Hier vor Ort beginnen wir, Zeichen zu setzen für Frieden und Versöhnung, indem wir Türen öffnen. Hier vor Ort beginnen wir, uns an einen Tisch zu setzen und Grenzen zu überwinden. Hier vor Ort beginnen wir mit einer einladenden Kirche, indem wir uns offen und herzlich zu Kommunion und Abendmahl einladen. Hier vor Ort beginnen wir einen gemeinsamen Weg.“
Fürst machte deutlich, dass er den allergrößten Teil dieser Erklärung unterstütze und zollte Respekt für das Engagement. Lediglich die Einladung zur Teilnahme an der Eucharistie findet nicht seine Zustimmung. Der Bischof zeigte sich betroffen, dass er nach der formalen Rücknahme habe hören müssen, er habe die Ökumene zerstört. Er sei nach Ravensburg gekommen, „um Irritationen aufzulösen“.
Was die Protestanten sagen
Atmosphärisch gelang dies. Nachfragen machten allerdings deutlich, dass es bei unterschiedlichen Ansichten zwischen dem Bischof, der mit der bistums- und der weltweiten Dimension des Themas argumentierte, und den Menschen vor Ort blieb, die ihre persönlichen Erfahrungen eines Miteinanders zum Maßstab der Annäherung der Kirchen machen wollen.
Die Vertreter der evangelischen Kirche blieben bei ihrer Linie: Die Protestanten, bei denen Christen anderer Konfession grundsätzlich zur Teilnahme am Abendmahl eingeladen sind, sehen ein innerkatholisches Problem und wollten nur „interessierte Zuhörer“ sein.
Warum Bischof Fürst nicht zustimmen kann
In Richtung der Protestanten sagte Fürst, dass die Nicht-Einladung zur Eucharistie nicht als Urteil über den Glauben und die Haltung evangelischer Christen verstanden werden dürfe. Aber eine gegenseitige Einladung zu Abendmahl und Eucharistiefeier entspreche „nicht dem Stand der ökumenischen Beziehungen“. Und nach katholischem Verständnis könnten „Kirchen nicht ortsgebunden fusionieren“. Fürst machte zugleich deutlich, dass zum jetzigen Zeitpunkt weitere Schritte auf die Protestanten zu mit der Gefahr einer innerkatholischen Spaltung verbunden seien.