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Ende kommender Woche, vom 5. bis 8. März, reist Papst Franziskus in den Irak. Es ist seine erste Auslandsreise seit November 2019. Wegen der Infektions-, vor allem aber der Sicherheitslage stand der Besuch bis zuletzt unter Vorbehalt. Sämtliche Mitglieder der vatikanischen Delegation und auch mitreisende Journalisten werden gegen Corona geimpft sein.
Der Besuch gilt einem vom Krieg zerrütteten Land und verwundeten Religionsgemeinschaften. Es ist der Traum, der 2000 für Johannes Paul II. unerfüllt blieb – nach Ur in Chaldäa zu pilgern, in die Heimat Abrahams, den Juden, Christen und Muslime als Stammvater verehren.
Interreligiöses Treffen in Ur
Ein Beter in Erbil im Irak. | Foto: Kirche in Not.
Geplant ist am 6. März ein interreligiöses Treffen just an dieser Stätte in der Wüste des Südiraks. Bei den Ruinen des Stufentempels von Ur, den schon der biblische Erzvater vor 4.000 Jahren gesehen haben mochte, sollen sich Vertreter des Islam, der Kirchen, von Juden, Jesiden und Mandäern zum Gebet versammeln. Alle beziehen sie sich in irgendeiner Weise auf Abraham; alle sind in eine lange Geschichte von Rivalität und Gewalt verstrickt.
Nicht weniger Symbolkraft liegt darin, wenn Großajatollah Ali al-Sistani den Papst in Nadschaf empfängt. Der 90-jährige schiitische Gelehrte verkörpert die moralische Autorität des Irak. In Konflikten wirkte er auf Deeskalation hin; bei den Protesten gegen Misswirtschaft und Korruption im Herbst 2019, die zum Sturz der Regierung führten, stellte er sich hinter die Demonstranten. Gegen Populisten wie den schiitischen Milizenführer Muktada al-Sadr fungiert er als eine Art Wellenbrecher. Zum chaldäisch-katholischen Patriarchen Louis Raphael I. Sako wird ihm ein gutes Verhältnis nachgesagt.
Treffen als Brücke zum schiitischen Islam
Obwohl al-Sistani kein dem Papst vergleichbares Amt besitzt, schlägt das Treffen eine wichtige Brücke zwischen der katholischen Kirche und dem schiitischen Islam, der weltweit um die 200 Millionen Gläubige zählt. Was die Rolle von Religion in Staat und Gesellschaft angeht, zeigen Franziskus und der Großajatollah verwandte Sichtweisen.
Ein starkes Zeichen wäre, wenn der Papst und der Schiit das „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen“ unterzeichneten. Dies hatte Franziskus gemeinsam mit einem Vertreter des sunnitischen Islam, Großimam Ahmad al-Tayyeb, 2019 in Abu Dhabi vorgestellt.
Der zweite Besuchstag nimmt den Terror des „Islamischen Staats“ und das Leiden der Christen im Nordirak in den Blick. Franziskus reist in die mehrheitlich von Sunniten bewohnte Metropole Mossul und die christliche Stadt Karakosch. Von dort flohen 2014 Zehntausende vor den Terrormilizen; etwa die Hälfte der Familien kehrte zurück.
Gebet für Kriegsopfer – nicht nur Christen
Der bislang nur skizzenhafte Besuchsplan des Vatikans sieht in Karakosch eine Ansprache des Papstes in der syrisch-katholischen al-Tahira-Kirche vor; sie wurde von den Islamisten verwüstet. Zuvor findet in Mossul ein „Gebet für die Opfer des Krieges“ statt.
Die offene Formulierung verzichtet offenbar bewusst auf eine konfessionelle Unterscheidung. Unter der Vertreibung und den Gräueln des „Islamischen Staats“ litten etwa Jesiden noch stärker als Christen.
Treffen mit katholischen Gläubigen
Kirche in Erbil. | Foto: Jaco Klamer (pd).
Es fällt auf, dass eine ausdrücklich ökumenische Veranstaltung fehlt. An die katholischen Gläubigen wendet sich der Papst am 5. März mit einer Rede an Kleriker, Ordensleute und Katecheten in der syrisch-katholischen Kathedrale in Bagdad und einer Messe am 6. März in der chaldäischen Kathedrale.
Nach den Stationen in Mossul und Karakosch am 7. März feiert er abschließend einen Gottesdienst im Stadion von Erbil. Die Wahl des Ortes ist von Corona-Schutzmaßnahmen bestimmt.
Politik, Sicherheit, Virus-Lage
Einige Akteure erhoffen von der Papstvisite eine Stärkung ihrer Position im ungewissen Stabilisierungsprozess des Landes. Etwa Patriarch Sako, der beständig die Zugehörigkeit der Christen zum Irak betont. Dazu gehören auch Staatspräsident Barham Salih, ein aus Kurdistan stammender Sunnit, und der parteilose Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi, der das Land gegen enorme gesellschaftliche Fliehkräfte zusammenhalten muss; ferner die Spitzen der Autonomen Region Kurdistan in Erbil.
Heikel sind die Sicherheits- wie die Pandemielage: Ein Terroranschlag im Zentrum Bagdads im Januar kostete 32 Menschen das Leben; auch der IS gilt nicht als besiegt. Die Zahl der gemeldeten Corona-Infektionen steigt seit Ende Januar wieder steil an. Für die Tage des Papstbesuchs gilt weithin eine Ausgangssperre.
Christen und Katholiken im Irak
Von den 39 Millionen Einwohnern des Irak sind 98 Prozent Muslime. Rund zwei Drittel davon sind Schiiten, ein Drittel Sunniten. Vor 2003 soll es im Land eine Million Christen gegeben haben. Die Zahl ist im Zug von Terror und Bürgerkrieg dramatisch gesunken. Heute leben schätzungsweise 200.000 bis 300.000 Christen im Land, meist in Bagdad und in der Ninive-Ebene im Norden.
Die bedeutendste Kirche im Land ist die chaldäisch-katholische (67 Prozent der Christen). Sie feiert Gottesdienst im ostsyrischen Ritus und in altsyrischer Sprache. Im 16. Jahrhundert trennten Bischöfe und Gläubige sich von ihrer Mutterkirche, der Apostolischen Assyrischen Kirche des Ostens, und schlossen eine Union mit der römisch-katholischen Kirche. An der Spitze der chaldäischen Katholiken steht seit 2013 Patriarch Kardinal Raphael I. Sako (72). Römisch-katholische Gläubige gibt es im Irak nur einige wenige. (KNA, jjo)
Ein Lamborghini hilft im Irak
Aus dem Auktionserlös eines Lamborghini, den Franziskus 2017 geschenkt bekam, wurden unter anderem zwei Projekte für Christen im Irak finanziert. Laut „Kirche in Not“ Italien hatte der Papst 200.000 Euro des Erlöses für die Hilfsorganisation bestimmt. Das Geld sei dem Wiederaufbau einer kirchlichen Mehrzweckhalle und eines Kindergartens in Bashiqa (Ninive-Ebene) zugutegekommen. Bei seiner Irak-Reise besucht Franziskus auch diese Region. (KNA)