Paul-Gerhardt-Haus weicht Bildungs- und Begegnungs-Campus

Polizei rückt an: Besetzung von Münsters größtem Jugendzentrum beendet

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Die Polizei hat das Jugendzentrum Paul-Gerhardt-Haus in Münster geräumt. Die Besetzer hatten eine langfristige Perspektive für die offene Jugendarbeit gefordert. Die St.-Franziskus-Stiftung wird dort ein Bildungs- und Begegnungs-Campus bauen.

Nun ging es schnell: Am Mittwochmorgen wurde das Paul-Gerhardt-Haus in Münster von der Polizei geräumt. Seit Beginn des Jahres hatten die Besetzer gefordert, für die Angebote des größten Jugendzentrums in Münster sowohl eine Übergangslösung als auch eine Perspektive für die Zeit nach dem Neubau zu schaffen. Die St.-Franziskus-Stiftung hatte von der evangelischen Erlöser-Kirchengemeinde das Erbbaurecht für das Grundstück neben der Kirche mitten in der Stadt erworben und plant einen Bildungs- und Begegnungscampus auf dem Gelände.

Die Stiftung hatte Anfang der Woche Anzeige erstattet, die zur jetzigen Räumung führte. Der Zeitpunkt sorgte bei den jungen Besetzern für Irritation. Denn noch am Montag hatten Vertreter der Stiftung im Paul-Gerhardt-Haus Gespräche mit ihnen geführt. „Wir hatten das Gefühl, dass sie unsere Position verstehen und wir einvernehmlich auseinandergegangen sind“, sagte Niklas Burscheid gegenüber „Kirche-und-Leben.de“. Der Aktivist stößt sich auch an der Kurzfristigkeit des Polizei-Einsatzes. „Der Abriss sollte doch eigentlich erst in einigen Wochen beginnen.“

Franziskus-Stiftung betont Zeitdruck

Die St.-Franziskus-Stiftung betont in einer Stellungnahme, dass sie ihre Position in einer „friedlich-konstruktiven“ Atmosphäre unmissverständlich deutlich gemacht und zu einem umgehenden Verlassen des Gebäudes aufgefordert habe. „Dieses führte jedoch leider nicht dazu, dass die Besetzenden der Aufforderung nachgekommen sind.“ Die Stiftung sei durch die Verträge Verpflichtungen eingegangen, die keinen zeitlichen Spielraum zuließen, sagte Verena Gölkel von der Unternehmenskommunikation auf Anfrage. „Unter anderem laufen aktuelle Mietverträge für die bestehende Krankenpflegeschule aus.“ Zum Abriss des Paul-Gerhardt-Hauses sei die Stiftung zudem vertraglich verpflichtet. Dabei spielten auch Mängel beim Feuerschutz in dem alten Gebäude eine Rolle.

Die Besetzung war Teil einer monatelangen Protestaktion, mit denen sich die Betroffenen Gehör verschaffen wollen. „Träume brauchen Räume!“ und „Kostenlose Freiräume erhalten!“ steht auf den Bannern an der Fassade des Paul-Gerhardt-Hauses. Die Stiftung als Bauherr habe sich frühzeitig für eine Lösung im Rahmen des neuen Campus-Konzeptes eingesetzt, teilte die St.-Franziskus-Stiftung mit. „Gemäß des durch die Stadt Münster und die Erlöser-Kirchengemeinde definierten Bedarfs ist für die Jugendarbeit eine Fläche von rund 180 Quadratmetern vorgesehen.“

Erlöser-Kirchengemeinde künftig zur Miete

Die genaue Ausgestaltung des Mietvertrages verhandelt die Kirchengemeinde als künftiger Mieter derzeit mit der Stiftung. Allein aus kirchlichen Mitteln könne das finanziell aber kaum gestemmt werden, so die Gemeinde. An eine Fläche wie die bisherigen 700 Quadratmeter für die Jugendarbeit ist nicht zu denken.

Eine Übergangslösung bis zur Fertigstellung des Neubaus sieht die Stiftung dagegen in der Zuständigkeit der Stadt und der Kirchengemeinde. Die Stadt Münster verweist dazu auf eine Arbeitsgruppe, die das Amt für Kinder, Jugendliche und Familien bereits vor Monaten mit der Trägervertretung der Kirchengemeinde eingerichtet hat. Aktuell können die Angebote des Paul-Gerhardt-Hauses zumindest teilweise an anderen Orten in der Stadt durchgeführt werden. Danach sieht die Stadt vor allem den kirchlichen Träger in der Verantwortung, damit „die Jugendarbeit einschließlich der städtischen Förderung in der bisherigen Höhe weitergeführt werden kann“. Das teilt das städtische Amt für Kommunikation auf Anfrage mit.

Presbyterium distanziert sich von Besetzern

Als eine für die jungen Aktivisten „sehr belastende Perspektive“ beschreiben die Verantwortlichen der Kirchengemeinde die Situation in einer Pressemitteilung. „Derzeit wird daher von allen Beteiligten und in aller Interesse mit Hochdruck daran gearbeitet, den Schwebezustand zu beenden und eine tragfähige Lösung für die Zwischenzeit der Baumaßnahmen zu finden.“ 

Die Besetzung des Gebäudes habe den Einsatz für den Erhalt der Jugendarbeit an dem Standort aber erschwert, heißt es in der Stellungnahme des Presbyteriums. „Neben den beteiligten Partnern, die im Vorfeld laufend und transparent über das geplante Bauvorhaben informiert haben, distanziert sich auch der Leiter des offenen Jugendtreffs von der Besetzung.“

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