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Der Präsident des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, ist insgesamt „enttäuscht“ von den wirtschaftlichen Aspekten in der neuen Papst-Enzyklika „Fratelli tuttti“. Fuest wirft dem Papst vor, Unwahrheiten und Vorurteile in seinem jüngsten Lehrschreiben zu verbreiten. Statt die Marktwirtschaft an den Pranger zu stellen, müsse gesehen werden, dass sie weltweit Menschen aus Armut befreit habe.
Der Präsident des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, ist insgesamt „enttäuscht“ von den wirtschaftlichen Aspekten in der neuen Papst-Enzyklika „Fratelli tuttti“. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte er am Montag: „Das Wettern gegen Märkte und angeblichen Neoliberalismus ist die größte Schwäche des Papiers.“
So gut wie niemand glaube heute noch, dass der Markt alle Probleme lösen könne, so Fuest. Franziskus wettere gegen ein System, das es so gar nicht gebe: „Es gibt kein Land auf der Welt, in dem eine ungeregelte Marktwirtschaft ohne staatliche Einflüsse existiert. Klar ist gleichzeitig, dass es kein Land gibt, in dem Wohlstand, Naturschutz und Humanität ohne Marktwirtschaft gedeihen.“
„Fehler nehmen dem Text Glaubwürdigkeit“
Auch die Aussage von Franziskus, die Globalisierung habe den Schwachen nicht genützt und sie nur in Abhängigkeiten geführt, sei „eine schlichte Unwahrheit. Hier werden Vorurteile vorgetragen, die tatsächliche Entwicklung der Welt wird ignoriert. Solche Fehler sind bedauerlich, weil sie dem gesamten Text Einiges an Glaubwürdigkeit nehmen.“
Der Wirtschaftsforscher hält es für richtig, dass der Papst mehr Solidarität mit den Schwachen in der Welt einfordert. Doch es fehlten wegweisende Ideen dazu, wie das zu erreichen sei: „Gleichzeitig strotz der Text vor anti-marktwirtschaftlicher Ideologie und Fehleinschätzungen über Globalisierung und die Rolle von Privateigentum.“
„Marktwirtschaft hat aus Armut befreit“
Eine allein auf Nächstenliebe beruhende Gesellschaft funktioniere nicht, ergänzte Fuest: „Niemand will von der selbstlosen Zuwendung oder gar der Barmherzigkeit anderer abhängig sein.“ Das bedeute aber nicht, „dass wir nicht versuchen sollten, mehr für andere da zu sein und zu tun“. Jeder Einzelne müsse sich fragen, „wie wir schwächere Menschen und Menschen in Schwierigkeiten behandeln und was wir für sie tun“.
Insgesamt, so der Ökonom weiter, halte er es für falsch, die Marktwirtschaft so an den Pranger zu stellen: „Die weltweite Ausbreitung der Marktwirtschaft und der globale Handel haben in den letzten Jahrzehnten hunderte Millionen von Menschen aus Armut und Elend befreit. Das heißt nicht, dass es keinen Reformbedarf gibt, aber diesen Weg gilt es weiterzugehen.“