Waldschutzgruppe Münsterland fordert deutlich nachhaltigere Positionierung

Schutz-Initiative: „In Sachen Wald sind Kirchen schlecht beraten“

Anzeige

In der Waldschutzgruppe Münsterland sind etwa 30 Mitglieder aktiv. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Situation des Waldes in der Region öffentlich zu machen. Es geht ihnen um eine naturnahe, ökologische Waldbewirtschaftung und den Schutz der Wälder. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung, die Publikation neuer Erkenntnisse und politisches Engagement gehören dazu. Gabriela Schulz sieht auch die Kirchen in der Pflicht, sich zu positionieren.

Frau Schulz, wie ist das Engagement der Initiative entstanden?

Da gibt es unterschiedliche Beweggründe. Unsere Mitglieder kommen aus der Politik, der Wissenschaft, aus Naturschutzbewegungen und auch den Kirchen. Allen ist der Wunsch gemein, die aktuelle Situation des Waldes in den Blick zu nehmen, dem es vielfach nicht gut geht. Naturferne Forstmethoden in Verbindung mit der Klimaerhitzung setzen den Wäldern zu. Dabei spielen Wälder als intakte Ökosysteme bei der Lösung des Klimaproblems eine zentrale Rolle.

Welche Rolle spielen die Kirchen?

Sie haben durch ihren Schöpfungsgedanken einen grundsätzlichen Auftrag für den Erhalt des Ökosystems Wald. Er darf von diesem Gedanken aus nicht vorwiegend wirtschaftlich betrachtet werden – ökologische und soziale Beweggründe müssen deutlich mehr im Mittelpunkt stehen. Vor diesem Hintergrund kann es in kirchlichen Wäldern aktuell nur darum gehen, eine Waldentwicklung umzusetzen, die auch mit großen Schutz- und Wildnisflächen zur Erholung dieses großartigen Lebensraums beiträgt. Hier haben unsere Ziele und die päpstliche Enzyklika "Laudato si" eine große Deckungsgleichheit.

Kommen die Kirchen denn diesem Auftrag nicht nach?

Es gibt zwar immer wieder Statements, in denen die Kirchen bekräftigen, dass sie Anwalt der Schöpfung und somit auch Anwalt des Ökosystems Wald sein wollen. Wenn es um konkrete Umsetzungen geht, arbeiten die Verantwortlichen in der Regel nur mit den Forstwirtschaftsbehörden zusammen, bei denen der Wald überwiegend unter ökonomischen Gesichtspunkten behandelt wird. Damit sind sie schlecht beraten. Denn neue wissenschaftliche Erkenntnisse und aktuelle Entwicklungen in der Klimakrise finden dadurch keine Berücksichtigung.

Was fordern Sie von den Kirchen?

Sie müssen eindeutig Position beziehen. Und zwar radikal für das Ökosystem Wald und nicht für das Wirtschaftssystem Wald. Wobei sich das nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gegenseitig ausschließt. Ein gesunder, naturnaher Wald liefert auch einen besseren ökonomischen Ertrag. Dafür müssen aber tradierte Forstmaßnahmen und -abläufe aufgebrochen werden. Die Kirchen müssen sich mit neuen Forschungsansätzen und Praxisergebnissen auseinandersetzen sowie andere Stimmen zulassen als die, auf die sie sich bislang verlassen.

Können sich die Kirchen denn so einfach von der traditionellen Forstwirtschaft lösen?

Kirchen haben mit ihrem Grundbesitz – also auch mit landwirtschaftlichen Flächen und ihrem Wald – eine Vorbildfunktion. Sie sind nicht auf die Einnahmen aus der Bewirtschaftung angewiesen. Die Kirche kann den Nachhaltigkeits-Aspekt problemlos weit nach vorne stellen. Dazu haben sie vor ihrem religiösen Hintergrund ohnehin den Auftrag. Sie sind auch in politische und ökonomische Verflechtungen nicht so sehr verstrickt und könnten damit relativ leicht einen Richtungswechsel vollziehen.

Wie groß wäre der Effekt?

Es befinden sich zwar nur etwa 150.000 Hektar Wald im Besitz der katholischen und evangelischen Kirche. Das sind 1,4 Prozent des gesamten Bestands in Deutschland. Aber die Signalwirkung wäre groß, wenn die Kirchen sich als richtungsweisende gesellschaftliche Größe eindeutig zur Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise positionieren würden. Sicher würde das auch auf private Waldbesitzer ausstrahlen, die aus ihrem Glauben heraus mit dem christlichen Hintergrund etwas anfangen können.

Gibt es bereits positive Beispiele?

Das Bistum Passau etwa hat bereits 2014 besondere Betriebsziele für seinen Kirchenwald formuliert. Es heißt dort, dass die Bewahrung und Entfaltung der Vielfalt göttlicher Schöpfung, gleichbedeutend mit der natürlichen Biodiversität, oberster Grundsatz zukünftiger Waldbehandlung ist. Dort wird detailliert beschrieben, wie die Vielfalt und der Gesamtnutzen des Waldes auf Dauer optimal gesichert werden sollen. Baumarten, Struktur des Waldes, Aufforstung, Bodenbeschaffung oder Pflege – alles wird aus der Sicht der Nachhaltigkeit bewertet.

Anzeige