Malteser bieten Betroffenen Hilfen

Sternenkinder-Eltern für gestaffelten Mutterschutz vor der 24. Woche

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Bei Fehlgeburten bis zur 24. Woche gibt es keinen Anspruch auf Mutterschutz. Auch die Sternenkinder-Gruppe der Malteser in Vechta will das ändern und ruft außerdem auf zu einer bundesweiten Aktion vom 1. bis 15. Oktober.

„Die ersten Tage danach ist man leer“, erinnert sich Claudia Lienesch an die erste Zeit nach dem Tod ihrer gerade geborenen Tochter Wolke Lore vor 13 Jahren. Und an ihre ersten Gedanken: „Man will am liebsten in der Wohnung bleiben. Weil man denkt: Dann bekommt es vielleicht keiner mit.“

Sie selbst hatte damals wenigstens Anspruch auf den gesetzlichen Mutterschutz. Acht Wochen, die ihr etwas Zeit gaben, mit dem Schock umzugehen und ihre Trauer um ihr verstorbenes Kind zu verarbeiten. Den Schmerz, die Enttäuschung, und zu realisieren, dass sie nicht mit einem Kind auf dem Arm das Krankenhaus verlassen würde. „Neben der Planung der Beerdigung“, sagt die heute 42-Jährige. Wo so viel zu organisieren und zu entscheiden war.

Malteser-Gesprächkreis bot Hilfe an

Und sie erinnert sich daran, wie sie damals Hilfe bei einem Gesprächskreis der Malteser fand. Dessen Name: „Sternenkinder-Eltern im Landkreis Vechta und umzu“. „Die Gruppe hat mich auch bei der Folgeschwangerschaft gut unterstützt“, sagt Claudia Lienesch. Sie hatte damals schon einen zweieinhalbjährigen Sohn. „Und später haben wir noch ein Mädchen bekommen.“

So beschloss sie, sich selbst auch für Betroffene einzusetzen. Mittlerweile gehört sie selbst zum Leitungsteam der Sternenkinder-Eltern der Malteser, hat eine Fortbildung zur Begleitung von betroffenen Familien abgeschlossen und steckt derzeit in einer weiteren Ausbildung zur Akut-Begleitung von Betroffenen.

Gesetzlicher Mutterschutz steht nicht allen zu

Aktion 110.000 Kilometer für Sternenkinder
Mit der Aktion „110.000 Kilometer für 110.000 Sternenkinder“ will der Bundesverband Kindstod in Schwangerschaft und nach Geburt (BVKSG) auf die große Anzahl betroffener Familien aufmerksam machen. Ziel sei es, zwischen dem 1. und 15. Oktober, gemeinsam 110.000 Kilometer zurückzulegen, die symbolisch für die 110.000 Kinder stehen, die laut Statistik jedes Jahr in Deutschland nicht lebend zur Welt kommen oder kurz nach der Geburt versterben. Infos unter www.bvksg.eu

Doch Claudia Lienesch weiß: Mutterschutz wie in ihrem eigenen Fall, also in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt, gibt es derzeit nicht für alle Mütter eines verstorbenen Kinds. Wenn es außerhalb des Mutterleibs keine Lebensmerkmale gezeigt hat, das Gewicht weniger als 500 Gramm beträgt und die Geburt vor der 24. Schwangerschaftswoche erfolgt, gilt dies als Fehlgeburt – und die Mutter im Falle einer Arbeitsunfähigkeit lediglich als erkrankt.

„Dann hängt es vom Arzt ab, ob er eine Frau arbeitsunfähig schreibt“, sagt Susanne Lahrmann, die wie Claudia Lienesch zum Leitungsteam der Malteser-Sternenkinder-Eltern gehört. Und oft genug erleben diese Frauen, dass der sagt: „Du bist gesund, körperlich fit, und ich schreiben keine Arbeitsunfähigkeit aus.“

Online-Petition fand fast 53.000 Unterstützer

Claudia Lienesch (links) und Susanne Lahrmann aus dem Leitungsteam des Malteser-Gesprächskreises „Sternenkinder-Eltern im Landkreis Vechta und umzu“. | Foto: Michael Rottmann
Claudia Lienesch (links) und Susanne Lahrmann aus dem Leitungsteam des Malteser-Gesprächskreises „Sternenkinder-Eltern im Landkreis Vechta und umzu“. | Foto: Michael Rottmann

Das, so sagt Susanne Lahrmann, dürfe nicht so bleiben. „Wir sehen, dass ein Schutz da sein muss. Deshalb können wir gut unterschreiben, was die Petition einer betroffenen Mutter fordert: dass es einen gestaffelten Mutterschutz auch für Frauen gibt, die vor der 24. Schwangerschaftswoche den Tod ihres Kindes erleiden.“ Natascha Sagorski, eine betroffene Frau, hatte die Initiative dazu im Februar 2022 gestartet und fast 53.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden. Die Petition wird derzeit vom Bundestag geprüft.

Und diese Petition unterstützt auch der Bundesverband Kindstod in Schwangerschaft und nach Geburt (BVKSG), zu dessen Aktion „110.000 Kilometer für 110.000 Sternenkinder“ auch die Malteser-Sternenkinder-Eltern in Vechta aufrufen. Die Zahl ist nicht willkürlich gewählt. 110.000 – so viele Kinder kommen nach amtlichen Schätzungen jedes Jahr in Deutschland nicht lebend zur Welt oder sterben kurz nach der Geburt.

Sternenkinder-Gesprächskreis hilft Frauen akut und dauerhaft

Neben solchen Aktionen hat das Leitungsteam der Sternenkinder-Eltern aber vor allen Dingen die Sorgen einzelner betroffener Frauen im Blick. Zum Beispiel, wenn sie nach einer Fehlgeburt gerufen werden. „Unsere Hauptaufgabe in einer Akutsituation ist erst einmal das Da-Sein, das Aushalten“, sagt Susanne Lahrmann. „Um den Frauen im weiteren Verlauf zu helfen, ihre eigenen Wünsche zu formulieren. Damit sie nicht Erwartungen von außen übergestülpt bekommen.“

Claudia Lienesch ergänzt. „Wir helfen ihnen auch dabei, wieder ein bisschen Struktur in ihr Denken zu bekommen, die zuerst völlig fehlt. Man kann das alles zuerst gar nicht begreifen und weiß nicht, was einem in dem Moment wichtig ist.“ Zweiter Schritt sind die Gesprächskreise als Angebot auf Dauer. „Das ist wichtig, denn die Eltern leben ja weiter“, erklärt Susanne Lahrmann. „Und die Erinnerung an das Erlebte bleibt.“

Malteser-Sternenkinder-Gesprächskreis in Vechta
Einmal im Monat laden die Malteser in Vechta sogenannte Sternenkinder-Eltern zu einem offenen Gesprächskreis ein. Anmeldungen zu den etwa zweistündigen Treffen sind nicht nötig. Neben Austausch und Gesprächen organisiert das Leitungsteam Kreativangebote, organisiert einen Familiennachmittag oder lädt immer im Dezember ein zu einem Gedenkgottesdienst für alle verstorbenen Kinder. Aus dieser Arbeit hervorgegangen ist auch das Angebot „Bewegung und Begegnung“, eine Art der Rückbildungsgymnastik speziell für betroffene Frauen. „Den Anspruch auf Rückbildungsgymnastik hat man zwar“, sagt Claudia Lienesch. Aber manche wollten nicht unbedingt die Geschichten der Frauen hören, die über ihre gesunden Kinder sprechen. Kontakt gibt es unter www.malteser-oldenburger-land.de.

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