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Kein sexueller Missbrauch, aber Grenzverletzungen und Machtmissbrauch. Das sind die wichtigsten Ergebnisse eines neuen Gutachtens über den früheren Präsidenten des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“, Winfried Pilz (1940-2019).
Es gebe keine Anhaltspunkte für sexuellen Missbrauch an Minderjährigen während seiner Amtszeit von 2000 bis 2010, heißt es in der am Donnerstag in Aachen veröffentlichten Untersuchung. Allerdings gebe es „Hinweise auf sexualbezogene Grenzverletzungen“ gegenüber vier erwachsenen früheren männlichen Mitarbeitern des katholischen Hilfswerks, das immer zum Jahreswechsel die bekannte Sternsingeraktion organisiert.
Pilz gehörte lange zu den populärsten Kirchenmännern in Deutschland. Er sorgte unter anderem dafür, dass die Sternsinger jährlich im Kanzleramt empfangen werden, und wurde auch als Autor beliebter Kirchenlieder wie „Laudato Si“ bekannt.
Erste Anschuldigungen 2012 gegen Pilz
Die vom Kindermissionswerk in Auftrag gegebene externe Untersuchung beleuchtet auch den Umgang von Pilz und weiteren Leitungspersonen mit einem aus dem Bistum Aachen stammenden Missbrauchstäter. Dabei sei deutlich geworden, dass man die ehrenamtliche Zusammenarbeit mit dem Priester nach Missbrauchsvorwürfen bereits 2003 hätte beenden müssen. Dies sei jedoch erst 2006 geschehen.
Einen Verdacht des sexuellen Missbrauchs gegenüber Pilz hatte im Juni 2022 erstmals das Erzbistum Köln öffentlich gemacht, dem Pilz angehörte. Es rief mögliche und bisher unbekannte Betroffene dazu auf, sich zu melden. Bereits 2012 sei Pilz beschuldigt worden, einen „schutzbedürftigen Erwachsenen“ in den 1970er Jahren missbraucht zu haben. 2021 hätten sich Hinweise auf mögliche weitere Betroffene ergeben.
Pilz: Amtszeit als Sternsinger-Chef durchleuchtet
Das Kindermissionswerk kündigte im November 2022 eine eigene unabhängige Untersuchung an, um angesichts der Vorwürfe gegen Pilz dessen zehnjährige Amtszeit als Präsident zu durchleuchten. Der Auftrag ging an ein Team unter Leitung der Kölner Rechtsanwältin Bettina Janssen.
Wegen der 2012 erhobenen Vorwürfe erteilte der damalige Kölner Erzbischof Joachim Meisner Pilz zwei Jahre später einen Verweis, legte ihm eine Geldstrafe auf und verbot dem damals schon im Ruhestand lebenden Geistlichen den Kontakt zu Minderjährigen. Laut einem Missbrauchsgutachten für das Erzbistum Köln hatte der als Sekretär für Pilz tätige Betroffene zum Zeitpunkt des sexuellen Kontakts das 18. Lebensjahr vollendet. Pilz habe darauf verwiesen, dass der Sex einvernehmlich stattgefunden habe.
Von 1972 bis 1989 arbeitete Pilz als Kölner Diözesanjugendseelsorger und Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg in Odenthal bei Köln.