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Jesuitenpater Klaus Mertes (69), der vor 13 Jahren den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche öffentlich machte, tut sich schwer mit verurteilten Tätern und Vertuschern in seinem Orden.
Wie ein Bruder immer Familienmitglied bleibe, so könne auch ein überführtes Ordensmitglied nicht einfach aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, sagte Mertes am Donnerstagabend in Mülheim an der Ruhr. Allerdings gebe es in seinem Orden Täter, die ihre Schuld nicht einsehen und sich als Opfer der Aufarbeitung fühlen. Mit ihnen könne er nicht in einer Stadt leben. „Da brauche ich 300 Kilometer Abstand.“
Uneinsichtige Täter fänden in dem Orden auch Unterstützer, führte Mertes aus. „Die Mythologie 'Ich bin Opfer' spaltet die Gemeinschaft.“ Es koste große Anstrengung, sich nicht auf das falsche Gift des Mitleids einzulassen. „Ich gehe da in Distanz“, so der Pater bei einem Podium der Akademie „Die Wolfsburg“ des Ruhrbistums zum Thema „Mit Missbrauchstätern und Vertuschern leben“.
Generalvikar Pfeffer will Einzelfälle betrachten
Die Würzburger Theologin Hildegund Keul, Leiterin des Forschungsprojekts „Verwundbarkeiten“, forderte, Kunstwerke von Missbrauchstätern von religiösen Stätten zu entfernen. Betroffene würden retraumatisiert, wenn sie mit den Arbeiten konfrontiert würden. Als Beispiel verwies sie auf Mosaikwerke des inzwischen aus dem Jesuitenorden ausgeschlossenen Marko Rupnik im französischen Marienwallfahrtsort Lourdes. Mehrere Frauen werfen Rupnik vor, er habe sie sich unter Ausnutzung seiner Autorität als Geistlicher sexuell gefügig gemacht.
Für den Essener Generalvikar Klaus Pfeffer gibt es keine allgemeine Antwort darauf, ob Missbrauchstäter unter Geistlichen aus dem Klerikerstand entlassen werden sollen oder nicht. Was angemessen ist, müsse im Einzelfall entschieden werden. Die Entlassung aus dem Klerikerstand führe zu einem deutlich geringeren Niveau an Versorgungsleistungen. Umgekehrt müsse die Kirche auf einen Schlag eine hohe Summe an die Rentenkasse nachzahlen. Zudem habe ein Bischof dann keine Möglichkeit mehr, dem Täter Auflagen zu machen.