Stephan Wahle über Emotionen in der Liturgie

Theologe: Darum sollten wir im Gottesdienst auch mal spontan klatschen

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Klatschen oder nicht klappen? Diese Frage kommt im Gottesdienst immer wieder auf. Der Paderborner Theologe Stephan Wahle hat Pro- und Contra-Argumente fürs Klatschen gefunden.

Der Kölner Kardinal Meisner war strikt dagegen, andere Geistliche freuen sich daran: Applaus im Gottesdienst. Darüber sollte jede Gemeinde für sich selbst entscheiden, meint der Paderborner Liturgiewissenschaftler Stephan Wahle. „Wenn sich die Freude spontan entlädt, sollte man das auf keinen Fall unterbinden, sondern in diesem Fall das Klatschen als eine Sternstunde von Liturgie begreifen“, sagte er in einem am Freitag veröffentlichten Interview des Portals katholisch.de.

„Masterpläne oder allgemeine liturgische Vorgaben, die etwa generell für die Weltkirche gedacht sind, finde ich schwierig. Denn Liturgie ist immer in der jeweiligen Kultur zu Hause“, fuhr der Theologe fort. So sei das Stampfen mit den Füßen etwa in der Liturgie afrikanischer Länder selbstverständlich, weil man dadurch eine Verbindung zum Himmel und zur Erde herstelle und damit auch die Ahnen in den Gottesdienst einbeziehe, erläuterte er.

Klatschen oder Schweigen – je nach Situation

„Es gibt unterschiedlichste kulturelle Motive, wie das liturgische Geschehen, die Begegnung mit Gott und untereinander, sinnfällig zum Ausdruck gebracht wird“, sagte Wahle. „Unsere deutsche Kultur ist eher eine in sich ruhende. Deshalb haben wir das Gefühl, der Gottesdienst sollte etwas Stilles und Erhabenes sein. In unserer Mentalität verstehen viele das heilige Spiel der Liturgie als erbauend und ruhig, wohingegen andere Traditionen und Kulturen genau dasselbe dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie eine überschäumende Freude zeigen – etwa durch das Klatschen.“

Allerdings gebe es einmalige Ereignisse, etwa eine begeisternde Predigt, die „zu Recht“ zu einer spontanen Äußerung wie Beifall führen könnten. „Aber auch das Gegenteil existiert: intensive geistliche Situationen in der Liturgie, in denen man einfach nicht klatschen kann, da sich alles in eine geistliche Stille hüllt. Etwa wenn die Gemeinde so ergriffen von einem Musikstück ist, dass zunächst ein langes Schweigen herrscht.“

Wenn Klatschen zur Routine wird

In manchen Gemeinden sei es fast eine Verpflichtung, am Schluss der Messe den Musikern oder anderen Beteiligten zum Dank zu applaudieren. „In diesem Fall ist das Klatschen dann nicht mehr eine spontane Äußerung im liturgischen Geschehen, sondern ein konventioneller Akt. Wenn das zur Routine wird und man sich regelrecht genötigt sieht, ebenfalls zu klatschen, kann ich eine Kritik daran nachvollziehen“, sagte Wahle. 

„Aber wenn am Ende des Gottesdienstes der Organist auf einmal ein grandioses Orgelstück spielt, ohne dass man das vielleicht erwartet hat, und dann als Dank Applaus für die Stimmigkeit des liturgischen Orgelspiels aufbraust, hat das aus meiner Sicht wiederum seine Berechtigung.“

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