Pfarrer Hans-Rudolf Gehrmann über den Erfolg eines Liturgieseminars

Wort-Gottes-Feiern als Zukunftsmodell - wie Pfarrei 42 Laien anwirbt

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42 Frauen und Männer aus der Pfarrei St. Mauritz in Münster nehmen an einem Liturgieseminar zum Leiten von Wortgottesdiensten teil. Über dieses außerordentliche Interesse erfreut ist Ortspfarrer Hans-Rudolf Gehrmann, der die Ausbildung begleitet. Wie er die Weiterbildung durchführt und warum Wort-Gottes-Feiern an den sechs Kirchorten von St. Mauritz eine immer größere Bedeutung spielen werden, erklärt er im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“.

Herr Gehrmann, 42 Frauen und Männer haben in Ihrer Pfarrei Sankt Mauritz Interesse an einem Liturgie-Seminar, das die Teilnehmenden zu Leiterinnen und Leitern von Wortgottesdiensten oder Wort-Gottes-Feiern befähigen soll. Wie haben Sie es geschafft, gleich 42 Interessierte für diese Art von Weiterbildung zu gewinnen?

Nach der Gemeinde-Fusion 2013 gehören zu unserer Pfarrei sechs Kirchtürme. Mir war es wichtig, an allen Kirchorten Interessierte zu werben und für das Liturgieseminar zu gewinnen. An jedem Kirchort gibt es schon Gebetsgottesdienste, die von Laien geleitet werden. Einige von ihnen möchten durch das Liturgieseminar ihre Fähigkeiten weiterentwickeln, andere Interessierte haben sich so gemeldet, weil sie zum Beispiel Lektorin oder Lektor, Kommunionausteilerin oder Kommunionausteiler oder Mitglied in einem Liturgieausschuss sind.

Wort-Gottes-Feiern werden in Ihrer Pfarrei Sankt Mauritz mehr Bedeutung bekommen als bisher, haben Sie in der Seminar-Einladung geschrieben. Blickt man auf die Zahl der Kirchenbesucher, könnte man doch gut und gern das Angebot von Gottesdiensten reduzieren. Warum gehen Sie einen anderen Weg?

„Das eine tun – das andere nicht lassen“: Seit dem Wochenende nach Fronleichnam haben wir zwei Vorabendmessen gestrichen, sodass in jeder unserer sechs Kirchen samstags oder sonntags eine Messe gefeiert wird. Bei zwei hauptamtlichen Priestern ist das gut zu machen, Tauf- und Hochzeitsgottesdienste kommen noch dazu. Parallel dazu bilden wir Leiterinnen und Leiter von Wort-Gottes-Feiern an Sonntagen aus.

Wozu braucht es geschulte Gemeindemitglieder, die Wort-Gott-Feiern leiten, wenn es doch auch Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten und damit ausgebildete Theologinnen und Theologen gibt, die entsprechend ihrer Qualifikation die Aufgabe als Wortgottesdienstleiter übernehmen können?

Weil unsere drei Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten auch schon sonntags mal die Predigt oder Kinderkatechese übernehmen und auch Beerdigungen leiten und wir noch mehr Christinnen und Christen an der aktiven Gestaltung der Liturgie beteiligen möchten.

Wenn immer mehr sogenannte Laien Gottesdienste leiten, ändert sich die Funktion des Priesters und die Bedeutung der heiligen Messen. Salopp gefragt: Was wird Kernaufgabe der Priester sein? Was wird aus den Eucharistiefeiern?

Pfarrer Hans-Rudolf Gehrmann bildet in seiner Pfarrei St. Mauritz bildet 42 Frauen und Männer zu Leiterinnen und Leitern von Wortgottesdiensten aus. | Foto: Johannes Bernard
Pfarrer Hans-Rudolf Gehrmann bildet in seiner Pfarrei St. Mauritz 42 Frauen und Männer zu Leiterinnen und Leitern von Wortgottesdiensten aus. | Foto: Johannes Bernard

Wir beiden hauptamtlichen Priester feiern seit dem 1. Mai schon mehr Messen, weil die Stelle unseres Subsidiars, der die Stelle gewechselt hat, vom Bistum nicht nachbesetzt wurde und wir leider keinen pensionierten Priester für Sankt Mauritz haben – Bewerber sind also sehr willkommen! Die Feier der Eucharistie und die Sonntagspredigt sind für mich als Priester „Kernaufgaben“, aber auch Quelle für mein eigenes spirituelles Leben und meinen beruflichen Alltag mit vielen anderen nicht-liturgischen Aufgaben.

An mehreren Abenden sind Sie mit den engagierten Gemeindemitgliedern bereits zusammengekommen und haben überlegt, wie Gottesdienste einladend gestaltet werden können. Wie kreativ sind die Teilnehmenden?

Wir haben zum Beispiel zu Beginn gemeinsam die Themen zusammengetragen, selber Tagesgebete formuliert und uns miteinander über eine „gute“ Predigt ausgetauscht. Andere Themen stelle ich mit einer Powerpoint-Präsentation vor.

Gottesdienste sollen eine zeitgemäße Sprache verwenden und nicht mehr antiquiert sein, heißt es oft und auch in Ihrem Liturgieseminar. Was sollte sich in der Liturgie ändern und wie viel Freiraum brauchen Sie, um das Zeitgemäße auszudrücken?

Ich verstehe Liturgieleiter als Dolmetscher für eine „kirchische“ Sprache. Das Zweite Vatikanische Konzil hat durch die Einführung der Muttersprache die Liturgiesprache verständlicher gemacht. Doch unser deutsches Messbuch, das die Gebete aus dem Lateinischen wortwörtlich ins Deutsche übersetzt hat, stammt aus den 1970er Jahren. Die Sprache hat sich aber weiterentwickelt. Ich bin für eine „barrierefreie Kommunikation“, ohne dass die liturgische Sprache flach oder babyhaft wird. Fachbegriffe wie „Offenbarung“, „Erlösung“ oder „Gnade“ müssen meines Erachtens ins Heute umformuliert werden, weil der Kern, der dahintersteckt, wahr ist und bleibt.

Wenn Sie an die sechs Kirchorte Ihrer Pfarrei St. Mauritz und an den längst eingetretenen Priestermangel denken: Wie wird eine Gottesdienstgemeinde künftig beschrieben werden?

Ich hoffe sehr, dass die Wort-Gottes-Feiern von unseren Sonntagskirchgängerinnen und -kirchengängern angenommen werden. Gemäß dem Jesuswort „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt bin, bin ich mitten unter ihnen“ werden sich zukünftig Christinnen und Christen treffen, mit oder ohne Priester, mit oder ohne Kommunionempfang. Gebet und Gottesdienst sind Wesensäußerungen unseres Glaubens. In Gemeinschaft kann ich das erfahren, was ich allein zuhause nicht erfahren kann. Der Priester und Autor Willi Hoffsümmer hat einmal gesagt, dass der Sonntagsgottesdienst für ihn eine „Schule des Glaubens“ ist: In einer Stunde Sonntagsgottesdienst begegne ich anderen Gläubigen, bete und singe mit ihnen, höre Gottes Wort und eine Predigt dazu und empfange die Eucharistie. All das ist für mich wie eine „Beziehungspflege“ im Hinblick auf die Gottesbeziehung und auf die Beziehung zu den Mitglaubenden. Für viele, die ihr Haus nicht verlassen können, sind die Fernsehgottesdienste aus gleichen Gründen eine große Hilfe im Glauben.

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