Abtreibung stärker gewichtet als Demokratie

Theologe kritisiert US-Bischöfe: „Trumps Hetze wird ignoriert“

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Donald Trump könnte bald erneut US-Präsident werden. Eine Riesen-Gefahr für die Demokratie, findet Theologe Massimo Faggioli. Doch viele Bischöfe ignorierten Lügen und Hetze und hätten nur das Thema Abtreibung im Blick.

Der katholische Theologe Massimo Faggioli kritisiert viele Bischöfe in den USA. Sie unterstützten Donald Trump „trotz seiner Lügen, seiner Hetze und seiner Angriffe auf die Demokratie“, sagte er den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse. Vielen sei das Thema Abtreibung wichtiger als die Demokratie.

Die katholische Kirche in den USA sei gespalten, fügte der Professor für Theologie und Religionswissenschaft an der Universität Villanova (Pennsylvania) hinzu: Etwa die Hälfte wählt demokratisch, etwa die Hälfte republikanisch. Weiße Katholiken wählen eher Republikaner, nicht-weiße Katholiken eher Demokraten.“

Abtreibungs-Position wird als Unterstützung der Republikaner gesehen

In einem 2023 veröffentlichten Leitfaden der US-Bischofskonferenz werde als Thema Nummer eins mit herausragender Priorität die Frage der Abtreibung genannt: Das ist natürlich eine Botschaft, die automatisch als Unterstützung der Republikaner gewertet wird, die als Anti-Abtreibungspartei gelten – wozu auch Donald Trump in seiner ersten Präsidentschaft beigetragen hat.“

Unter anderem habe er drei konservative Richter am Supreme Court eingesetzt, und das oberste Gericht habe daraufhin das landesweit geltende Recht auf Schwangerschaftsabbrüche gekippt. Die Entscheidung über ein Abtreibungsrecht liegt seitdem wieder bei den einzelnen Bundesstaaten. Mehrere Bundesstaaten haben in der Folge Abtreibungen zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft verboten, andere haben die Regelungen massiv verschärft.

Verhalten Trumps „scheint für Bischöfe keine Rolle zu spielen“

„Die Katholiken und die Bischöfe, die Abtreibung als das Thema Nummer eins betrachten, sind also für Trump – zumal Joe Biden die Verteidigung von Abtreibungsrechten zu einem Thema seiner Präsidentschaft gemacht hat“, erklärte Faggioli weiter: „Eine Minderheit der Bischöfe hingegen sieht die Fokussierung auf dieses eine Thema skeptisch und fragt auch, ob Abtreibungen nicht viel eher durch eine bessere Sozial- und Familienpolitik verhindert werden könnten.“

Vor der letzten Wahl hätten die Bischöfe noch nicht gewusst, dass Trump „nach der Wahl versuchen würde, das Ergebnis zu fälschen, Lügen und Verschwörungsmythen über Joe Bidens Wahl zu verbreiten und einen Coup gegen Amerikas Demokratie zu starten“, ergänzte der Theologe: „Jetzt wissen sie, dass Trump all das getan hat. Aber für jene Bischöfe, die Trump schon vor vier Jahren unterstützt haben, scheint das keine Rolle zu spielen. Trumps Angriffe auf die Demokratie machen in ihren Augen und auch in denen vieler Katholiken keinerlei Unterschied. Das ist schockierend.“

Lob für die Deutsche Bischofskonferenz

Viele der Bischöfe sähen in Trump nicht die Lösung, hielten ihn aber für glaubwürdiger als Joe Biden, so Faggioli weiter: „Sie wissen, dass Donald Trump korrupt ist und dass er kein Christ ist. Aber sie hoffen, dass er das aktuelle System aufbrechen kann, das ihnen fremd geworden ist.“ Faggioli lobte die Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zu Russlands Angriffskrieg in der Ukraine: „Sie zeigt, was dabei herauskommt, wenn Bischöfe lesen, denken und schreiben können. Bei vielen Mitgliedern der US-Bischofskonferenz ist das nicht mehr der Fall.“

Die US-Bischofskonferenz sei „eine Ansammlung von Verwaltern lokaler Kirchen, die einen rein administrativen Job machen. Vielen der Bischöfe fehlt die Fähigkeit, intellektuell zu verstehen und zu analysieren, was auf der Welt passiert und wie sehr die Demokratie in den USA in Gefahr ist.“

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