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Der Theologe Peter Hünermann setzt sich auch im hohen Alter nicht zur Ruhe. Er hat ein zwölfbändiges Buchprojekt zur Lage der Kirche mitinitiiert. Eine Weihe von Frauen befürwortet der Dogmatiker: „Ja, warum denn nicht?“
Wer den emeritierten katholischen Theologieprofessor Peter Hünermann dieser Tage am Telefon erreicht, erlebt einen hellwachen Zeitgenossen. Auf die Frage, wie es ihm gehe, sagt er lachend: „Mir geht es eigentlich unverschämt gut.“ Das ist nicht selbstverständlich: Am Freitag, 8. März, wird Hünermann 95 Jahre alt.
Peter Hünermann ist ein katholischer Theologe mit weitreichender Wirkung. Von 1982 bis zu seiner Emeritierung 1997 war er Professor für katholische Dogmatik an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Zum 70. Geburtstag bescheinigte ihm der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, ein „vielbeachtetes theologisches Werk“. Hünermann stehe für eine fundierte und weltoffene katholische Dogmatik. 1989 wurde Hünermann zum Gründungspräsidenten der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie gewählt.
Hünermann: Weihe von Diakoninnen überfällig
Nach wie vor bringt er sich in tagesaktuelle Fragen ein. Auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Stuttgart sagte Hünermann vor seinem 95. Geburtstag: „Die Kirche befindet sich in einer massiven Krise, weil der Glaube an Gott in der Öffentlichkeit nicht mehr genug sichtbar wird.“ Es gebe zudem „eine Menge Reformbedarf“, sagte der Theologe. Eine Weihe von Diakoninnen sei überfällig. „Das ist spruchreif, hier ist eine Entscheidung notwendig“, betonte er. Auch gegen eine Priesterweihe von Frauen hätte der emeritierte Dogmatikprofessor nichts einzuwenden. „Ja, warum denn nicht?“, fragt Hünermann. Er sehe keine sachlichen oder dogmatischen Gründe, die dagegensprächen.
2018 kommentierte Hünermann den Streit um den Frankfurter Hochschulrektor Ansgar Wucherpfennig. Dieser war zwar für eine dritte Amtszeit als Rektor der Jesuitenhochschule Sankt Georgen wiedergewählt worden; der Vatikan hatte ihm aber zunächst das „Nihil obstat“ – eine Art Unbedenklichkeitserklärung – nicht erteilt, was auf massive Kritik stieß. Wucherpfennig hatte sich wiederholt kritisch zum Umgang der Kirche mit Frauen und Homosexuellen geäußert.
Hünermann lehrte auch in Münster
Hünermann sah im Vatikan einen Ausdruck von Fundamentalismus am Werk. Roms Vorstellung von Homosexualität ignoriere die Forschung. Bei einer Veranstaltung zur Rolle der Frauen betonte der Theologe, sie gehörten zum „königlichen Priestertum“.
Angesichts des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche rief Hünermann im Oktober 2022 die Weltkirche zu einem öffentlichen Schuldeingeständnis auf. Das aber sei bis heute nicht wirklich erfolgt, sagt er. Doch wo Schuld nicht klar benannt werde, da könne es keine Verzeihung geben.
Am 8. März 1929 in Berlin geboren, wurde Hünermann nach dem Studium der Philosophie und Theologie 1955 zum Priester geweiht. Ab 1967 war er Dozent in Freiburg, von 1971 bis 1982 lehrte er in Münster und folgte dann dem Ruf nach Tübingen als Nachfolger Hans Küngs, dem die Lehrbefugnis entzogen worden war.
Peter Hünermann bleibt geistig und körperlich beweglich
Von 1994 bis 2019 war Hünermann Herausgeber der im Herder-Verlag erscheinenden theologischen Buchreihe „Quaestiones Disputatae“. 1989 erhielt der Theologe das Bundesverdienstkreuz. Außer den Universitäten Freiburg und Erfurt verliehen ihm auch Hochschulen in Argentinien und Bolivien die Ehrendoktorwürde.
Von 1985 bis 2003 war Hünermann auch Präsident des Katholischen Akademischen Ausländer-Dienstes (KAAD), einem Stipendienwerk der katholischen Kirche in Deutschland für Wissenschaftler aus Afrika, Asien, dem Nahen Osten, Lateinamerika und Osteuropa. Der KAAD gründete 2008 unter dem Dach der Diözese Rottenburg-Stuttgart die „Stiftung Peter Hünermann“, die die „fachliche Vernetzung“ bei der Stipendienarbeit unterstützen soll.
Auf die Frage, wie er sich im hohen Altar fit hält, sagte Hünermann: „Man muss sich bewegen.“ Das gelte körperlich wie geistig. Einerseits gehe das mit Seilspringen am Morgen. Und dann habe er ein auf zwölf Bände angelegtes Buchprojekt mitinitiiert – mit dem Titel „Vatican II – Legacy and Mandate“, zu Vermächtnis und Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und der gegenwärtigen Lage der Kirche. „Etwa 150 Theologinnen und Theologen in fünf kontinentalen Gruppen arbeiten daran mit“, sagt Hünermann. „Das Werk soll 2025/2026 erscheinen.“