Journalist Stefan von Kempis zur Weltsynode und zum Heiligen Jahr

Vatikan-Experte: Papst Franziskus dreht noch mal richtig auf

Anzeige

Die Weltsynode geht auf die Zielgeraden, das Heilige Jahr steht in den Startlöchern. Doch was passiert mit den Reformideen? Vatican-News-Journalist Stefan von Kempis ist skeptisch, traut aber Papst Franziskus einiges zu.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat man Franziskus totgesagt. Er spottete selbst, einige im Vatikan bereiteten sich innerlich schon auf ein Konklave vor. Doch in den letzten Wochen hat er noch mal richtig aufgedreht: Er absolvierte scheinbar mühelos Besuchsprogramme in den Städten Venedig und Verona, gab eine Reihe launiger Interviews und führte nach dem Vorbild des Weltjugendtags einen katholischen Weltkindertag ein. Franziskus will’s weiterhin wissen; jeder Abgesang auf das Pontifikat kommt derzeit noch zu früh.

Wobei sich allerdings der Erfolg eines Papstes nicht daran entscheidet, wie viele Veranstaltungen er durchsteht. Franziskus selbst will daran gemessen werden, ob es ihm gelingt, der Kirche einen synodaleren und geschwisterlicheren Stil zu verpassen. Und dafür ist vor allem die Bischofssynode im kommenden Oktober eine entscheidende Wegmarke: Da tritt zum zweiten Mal eine Vollversammlung des globalen „Synodalen Prozesses“ im Vatikan zusammen. Viel wird darauf ankommen, was Franziskus schlussendlich aus den Ideen und Anregungen macht, die bei diesen Gesprächen hinter verschlossenen Türen entstehen werden.

Verschwindet der Synodale Prozess in der Versenkung?

Der Autor
Stefan von Kempis, geb. 1970, leitet das deutschsprachige Programm von Radio Vatikan/Vatican News. Er studierte in Bonn, Freiburg und Paris Geschichte und Theologie sowie in Rom und Kairo Islamwissenschaften. Er wohnt in Rom, ist mit einer Spanierin verheiratet und hat zwei Kinder.

Der Papst hat noch genügend Kräfte für diesen Prozess – das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass eine gewisse Synodenmüdigkeit eingetreten zu sein scheint. Wie schon beim deutschen „Synodalen Weg“ ist auch beim globalen „processo sinodale“ eine Einbindung der kirchlichen Basis, jedenfalls in unseren Breiten, kaum gelungen. Hinzu kommt, dass heikle Themen in Arbeitsgruppen ausgelagert worden sind – was dazu führen könnte, dass das synodale Reden, Denken und Beten im Vatikan ins Beschaulich-Harmlose absinkt.

Wird es Franziskus trotzdem gelingen, aus seiner Audienzhalle einen synodalen Geist des Aufbruchs in die Kirche überspringen zu lassen? Ich bin da, ehrlich gesagt, etwas skeptisch. Es kommt ja noch hinzu, dass im Dezember das Heilige Jahr startet. Das heißt: Wenn irgendwann im Frühjahr ein Papst-Schreiben erscheint, um die Summe aus über drei Jahren Synodalem Prozess zu ziehen, dann werden längst die Pilgermassen in Rom die kirchlichen Schlagzeilen dominieren … und der Synodale Prozess wird, das ist jedenfalls die Gefahr, in der Versenkung verschwunden sein.

Hat Papst Franziskus schon eine neue Idee?

Wie will der Papst in einer solchen Lage den synodalen Ball in der Luft halten? Die Sache wird nicht einfach. Andererseits hat Franziskus bewiesen, dass er zu Überraschungen und plötzlichen Volten imstande ist. Sein Vertrauen auf den Heiligen Geist, der die Kirche durchschüttelt, ist scheinbar naiv – aber ansteckend. Totgesagte leben länger. Vielleicht hat der Papst ja schon eine Idee, wie er den synodalen Faden weiterspinnen könnte.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Anzeige