Magisterarbeit untersucht Lage im Bistum Münster

Verpachtung kirchlicher Flächen: „Bisher kaum Rücksicht auf Umwelt“

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Johann Verhoeven ist Bildungsreferent am Katholischen Bildungszentrum Wasserburg Rindern in Kleve. Seine Magisterarbeit schrieb der Theologe vor gut einem Jahr zum Thema „Kirchliche Landverpachtung im Dilemma“. Dafür führte er auch Interviews mit Verantwortlichen im Bistum Münster. Im Interview sagt er, welche Rolle Nachhaltigkeitskriterien in der Verpachtung spielen.

Herr Verhoeven, wie steht es um den Nachhaltigkeitsgedanken bei der Verpachtung kirchlicher landwirtschaftlicher Flächen im Bistum Münster?

Wir finden insgesamt eine sehr heterogene Struktur vor. Jede Pfarrei und fast jede kirchliche Einrichtung wie etwa Stiftungen haben irgendwo ein paar Hektar Landbesitz. Es wird bei der Betrachtung der Verpachtung schnell uneinheitlich, weil sehr viele Personen und Gremien involviert sind, denen man kaum zentralen Vorgaben machen kann. Es gibt aber Musterpachtverträge, die das Bistum aufgestellt hat. Sie werden von den Akteuren vor Ort genutzt, um eine gewisse Rechtssicherheit zu haben. Und auch, um Kriterien festzulegen, die bei der Verpachtung eingehalten werden sollen. Was aber die ökologischen und sozialen Kriterien angeht, sieht es darin eher dürftig aus: Verzicht auf Gentechnik, Pflege von Landschaftselementen, Verbot von Flächentausch… Das alles sind noch sehr niederschwellige Vorgaben.

Wie funktioniert die Umsetzung vor Ort?

Es gibt einige Beispiele, wo es schon gut läuft. Bei sozial-karitativen Einrichtungen wird zum Teil in Eigenregie ökologische Landwirtschaft betrieben. Was die Verpachtung in Pfarreien angeht: Da ist das Bild total diffus. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass es überwiegend Pächter aus der konventionellen Landwirtschaft gibt. Es wird bislang auf ökologische Kriterien wenig Rücksicht genommen. Da gibt es nur wenige Ausnahmen bei den Kirchengemeinden.

Warum gelingt die ökologische Ausrichtung nicht flächendeckend?

Weil wir vor Ort häufig ehrenamtliche und wenig qualifizierte Entscheidungsstrukturen haben, in denen nicht selten auch noch Landwirtinnen und Landwirte sitzen. Das ist zum Teil unvermeidlich, da das kirchliche Leben vor Ort von ihnen maßgeblich mitgestaltet wird. Wir sind als Kirche auf dem Land auch angewiesen auf die Landwirte als Pächter. Und da kollidiert dann der kirchliche ökologische Auftrag und Anspruch mit den existenziellen Interessen der Pächter.

Ist der Interessenskonflikt zu überwinden?

Jan Verhoeven stammt von einem ökologisch geführten Bauernhof bei Kevelaer und hat Theologie studiert. | Foto: privat
Johann Verhoeven stammt von einem ökologisch geführten Bauernhof bei Kevelaer und hat Theologie studiert. | Foto: privat

Es gibt einen gemeinsamen Standpunkt, der helfen kann: Ökologischere und nachhaltigere Landwirtschaft geht in meinen Augen fast ausschließlich über kleine und mittelständische Betriebe. Familienbetriebe – auch konventionell wirtschaftende – müssen deshalb unbedingt erhalten bleiben. Das bedeutet aber, dass wir gesellschaftlich mit einem anderen Leistungsbemessen arbeiten müssen. Es darf nicht nur um die Menge Mais, um den reinen Ertrag pro Hektar gehen. Es müssen wirklich alle Leistungen des Betriebes für die Gesellschaft berücksichtigt werden.

Welche Leistungen sind das?

Jeder Betrieb erbringt auch ökologische und soziale Leistungen. Etwa in der Landschaftspflege, im Umweltschutz oder in der Ausbildung von Junglandwirten, die bislang nicht bezahlt werden. Die haben für die Gesellschaft einen Mehrwert, der hochgerechnet werden muss. Da würde dann gerade in der kleinbäuerlichen und mittelständischen Landwirtschaft ein Defizit stehen an Arbeit, die der Betrieb nicht bezahlt bekommt. Das muss dann Konsequenzen für die finanzielle Bewertung kirchlicher Verpachtung haben.

Letztlich geht es also um Geld, das zu ökologischem Handeln führen soll?

Natürlich. Es müssen Anreize und Perspektiven geschaffen werden in der prekären Lage vieler kleiner landwirtschaftlicher Betriebe. Am einfachsten ist es, jenen eine etwas günstigere Pacht zu bieten, die eine größere gesellschaftliche Leistung erbringen. Wir sollten dadurch unbedingt auch aktuelle Pächter animieren, in Zukunft ökologischer zu arbeiten. Das ist für die Kirche natürlich eine finanzielle Entscheidung, die mittelfristig auch mit öffentlicher Subventionsverschiebung einhergehen muss. Aber eben auch eine sozialethische und schöpfungsbewahrende Entscheidung, zu der die Kirche biblisch verpflichtet ist beziehungsweise sich selbst verpflichtet hat. Sehen wir es so: In der Landwirtschaft könnte sie dabei einen positiven Verantwortungs- und Gestaltungsspielraum füllen.

Wie kann das verpflichtender Bestandteil der Entscheidungen werden?

Das Beste wäre, die Aufrechnung aller ökologischen und sozialen Leistungen des pachtenden Betriebs fest im Verpachtungsprozess zu installieren – auch in den Musterpachtverträgen des Bistums. Und dann geht es darum, vor Ort Professionalität im Umgang mit Verpachtungsfragen herzustellen. Wir brauchen Vernetzung mit Expertinnen und Experten, um die Gremien mit Fachwissen für ihre Entscheidungen zu qualifizieren. Schlussendlich ist es wichtig, dass der Verpachtungsprozess als großer kirchlicher Handlungsspielraum und finanzielle Quelle mit wachsender Bedeutung größere Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit bekommt. Zahlen und Fakten dürfen kein Geheimnis sein. Denn es ist eine Chance, unseren ethischen Auftrag dabei offen zu kommunizieren: Wir haben so viel Fläche, wir haben einen Auftrag aus dem Glauben heraus und wir versuchen, die Probleme gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten gleichermaßen ökologisch und sozial zu lösen.

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