Gregor Kauling über die Chance der Fastenzeit

Verzicht auf Bilder und Nachrichten - um Gottes Sender gut zu empfangen

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Fasten um des Fastens willen? Verzichten, nur weil es dran ist in der Bußzeit? Nein, sagt Gregor Kauling in seinem Gast-Kommentar. Letztlich geht es beim Weniger um ein Mehr.

Wenn wir ein großes Fest feiern, dann bereiten wir uns gut darauf vor. Es werden leckere Speisen und Getränke eingekauft, schicke Kleidung wird ausgesucht, das Haus geputzt. Wie sieht es dem gegenüber eigentlich mit unserem inneren Hausputz aus? Kann da unser Aufwand den äußeren Bemühungen standhalten?

Fastenzeit - als Vorbereitung auf das Osterfest - ist ein Angebot, unser Seelenleben vor Gott und den Menschen wieder ins rechte Lot zu bringen. Um den Sender Gottes gut empfangen zu können, ist es hilfreich, sich für eine Zeitlang der Fülle von Bildern, Eindrücken und Nachrichten zu entziehen.

Vom Selbstverständlichen zum Besonderen

Der Autor
Gregor Kauling ist nichtresidierender Domkapitular am Dom zu Münster und war in den letzten Jahren Wallfahrtsrektor in Kevelaer. Ab dem 21. April 2024 arbeitet er als Gemeinde - und Wallfahrtsseelsorger im Marienheiligtum in Telgte.

Fasten lohnt sich körperlich, mental und spirituell und ist ein Weg, den Frieden zu finden. Es tut zunächst ganz einfach unserem Körper gut. Viele haben schon die positive Erfahrung gemacht, dass der Verzicht auf Süßspeisen, Alkohol, Nikotin, Telekommunikation bei allem Kampf, der an sich schon seinen Wert hat, dem menschlichen Organismus guttut.

Manche Speisen verlieren nach einer Zeit des Verzichtes ihre Selbstverständlichkeit, werden wieder in das Licht des Besonderen gerückt und schmecken uns danach in der Tat neu. Zweitens stärkt das Fasten unsere mentale Kraft. Durch den zeitweiligen Verzicht auf bestimmte Güter kann uns bewusstwerden, dass wir im Überfluss leben. Etwas Überfließendes heißt doch im Umkehrschluss, dass auch diejenigen davon etwas abhaben können, welche am "Tellerrand" in der Peripherie leben.

Ein neuer Blick

Es lohnt sich der Frage nachzugehen: Wer oder was ist das für mich? Das "Zuviel des Guten" kann auch tödlich sein. Mit den Dingen zu leben, ohne sie ständig abzurufen, ist eine Fastenübung. In Freiheit mit den Dingen des Lebens umzugehen, ohne uns von ihnen bestimmen zu lassen, gehört zur Kunst gelingender Lebensführung. Das Fasten hat schließlich eine wichtige spirituelle Komponente. Wer gelernt hat, die materiellen Dinge des Lebens maßvoll zu nutzen, der kann auch mit den Menschen leben, ohne bei jeder Kleinigkeit ungeduldig oder fordernd zu werden.

Wenn wir uns nicht von den materiellen Dingen blenden lassen, öffnet sich ein neuer Blick: Die Bedürfnisse und Grenzen eines anderen werden sichtbar und berühren sogar unser Herz. Vielleicht wird auch der Blick frei für Gott? Fasten erneuert so unser Denken, was der eigentliche Kern der Umkehr ist, von der Jesus spricht. Das ist dann ein neuer Anfang auch in unserem Glauben an Gott, den wir zu Ostern gemeinsam neu bekennen werden.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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