Thomas Söding zum „Fest der politischen Theologie“

Warum Palmsonntag ein Plädoyer für Demokratie ist

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Ob Schlachtross oder Luxuslimousine: Die Putins, Trumps und Xi Jinpings heutiger und früherer Zeiten wissen, Menschen mit Bildern an ihre Macht zu binden. Jesus macht das anders – an Palmsonntag. Für Thomas Söding ein „Fest der politischen Theologie“. 

Der König zieht in seine Stadt ein – auf einem Esel. Größer könnte der Kontrast nicht sein, größer auch der Anspruch nicht. Palmsonntag ist ein Fest der politischen Theologie – auf die jesuanische Art. Die Teilnahme an der Palmprozession ist ein Marsch für die Demokratie – auf die geistliche Art.

Dass sich ein Imperator einen triumphalen Einzug in seine Hauptstadt organisiert, gehört zu den Machtinszenierungen damals wie heute. Früher war es das starke Schlachtross, heute ist es die Luxuslimousine, am besten mit offenem Verdeck. Die Massen sollen jubeln. Wer die Macht hat, beherrscht die Bilder – und erzeugt sie so, dass alle den Eindruck haben, dabei sein zu müssen.

Jesus und die Putins dieser Welt

Der Autor
Thomas Söding ist Professor für die Exegese des Neues Testaments an der Ruhr-Universität Bochum. Als Berater der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz und Vizepräsident des Synodalen Wegs engagiert er sich für Reformen in der katholischen Kirche. Er lebt in Münster.

Aber ein König auf einem Esel? Das ist eine Provokation. Wenn die Hohepriester und die römische Besatzung von Jerusalem Augen im Kopf hatten, mussten sie höchst beunruhigt sein. Das Reittier offenbart den Messias des Volkes. Er hat es sich ausgeliehen und wird es zurückbringen. Es ist ein Arbeitstier. Nach dem Propheten Sacharja wird der König der Endzeit auf einem Esel in Jerusalem einreiten: weil er den Frieden bringt – nicht mit dem Schwert, sondern mit der Macht seines Wortes.

Der Kontrast zu den römischen Kaisern war krass – krasser ist er noch zu den Putins und Erdogans, den Trumps und Xi Jinpings, den Kim Jon-uns und Lukaschenkos unserer Tage. Aber genau dieser Kontrast zeigt, wie machtvoll die Demut Jesu ist. Er bringt Gottes Segen in die Stadt; er kommt im Namen des Herrn, wie Gott sein Reich nahekommen lässt; er bekräftigt die Hoffnungen Israels, die sich in der Erinnerung an den König David heften.

Paradoxes Bekenntnis

Die Menge jubelt ihm zu. Ja, dem „Hosianna“ wird das „Kreuzige ihn“ folgen. Aber Jesus selbst wird denen Recht geben, die ihn jetzt feiern: den Befreier, den Erlöser, den Messias. Der Einzug nach Jerusalem führt auf den Kreuzweg – und das volle Grab von Golgotha wird zum leeren Zeichen der Auferstehung, gefüllt von Gottes Gegenwart. Der Reiter auf dem Esel wird ans Kreuz geschlagen werden – aber der Titel „König der Juden“, der ihn verhöhnen soll, ist ein paradoxes Bekenntnis.

Wer Palmsonntag feiert, glaubt an das Reich Gottes, das keinen Gottesstaat, keine Taliban, keine Sittenwächter braucht, sondern Menschen, die an Jesus glauben und für die Freiheit einstehen.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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