Bistum Würzburg liegt mit einem Vereinsgründer im Clinch

„Weil Kirche kaum präsent ist“: Geistliche gründen Seelsorge-Verein

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Einen Verein für "Seelsorge in Freiheit" hat ein Geistlicher mit zwei anderen in Franken gegründet. Er will individuelle Angebote machen, die seine Kirche nicht mehr biete. Den Konflikt mit dem Bischof nimmt er in Kauf.

Drei Seelsorger, die sich um jene kümmern, die in der Kirche mit ihren Bedürfnissen zu kurz kommen - klingt erst mal nach einer guten Idee. In Unterfranken hat ein katholischer Diakon mit einem verheirateten ehemaligen Priester und einem weiteren Diakon der in Deutschland kaum 100 Mitglieder zählenden Nordisch-Katholischen Kirche dazu einen "Verein für christliche Seelsorge in Freiheit" gegründet. Das birgt Zündstoff.

Dass sich Geistliche aus ihrer Konfession verabschieden und sich als Trauerredner oder Ritendesigner für Hochzeiten auf Honorarbasis selbstständig machen, kommt immer wieder vor. Schließlich müssen sie anderweitig ihren Lebensunterhalt verdienen - und einen Markt gibt es angesichts nachlassender Kirchenbindung auch.

"Wir wollen keine neue Kirche gründen"

Der vor drei Wochen aus der Taufe gehobene fränkische Verein hat nach eigenem Bekunden Anderes im Sinn: Er will das volle Seelsorgeprogramm anbieten - ohne sich einer kirchlichen Autorität zu unterwerfen, deren Regeln als zu starr empfunden werden. Begräbnisse, Trauungen, Krankensalbung, Trauerbegleitung nach Sterbefällen und Einzelgespräche soll es geben - und alle vier bis acht Wochen Sonntagsgottesdienste.

Initiator Reinhold Glaser aus Mömbris bei Aschaffenburg wehrt auf Nachfrage zunächst Missverständnisse ab: Mit dem Verein wolle man keine neue Kirche gründen, auch gebe es kein kommerzielles Interesse. Alle Angebote sollen für Teilnehmende gratis sein. Mitgliedsbeiträge seien nur zur Deckung von Organisationskosten da, etwa für Raummieten.

Bistum suspendierte den Diakon - der wehrt sich

Bei der Zielgruppe denkt der Diakon nicht nur an aus der Kirche ausgetretene Gläubige, sondern auch an solche, die mit dem Angebot der eigenen Pfarrei unzufrieden sind. Glaser nennt Beispiele aus seiner Region: Taufen und Totenmessen etwa würden im äußersten Nordwesten Bayerns nur noch gesammelt und nicht mehr einzeln gehalten. Bei Ehejubiläen sei ein Dankgottesdienst für ein einzelnes Paar meist nicht drin. In Pflegeheimen sei die Kirche "nur noch sporadisch präsent", berichtet er. "Die Krankenkommunion wird nicht mehr gebracht."

Mit seiner Bistumsleitung liegt Glaser schon länger im Clinch. Der Würzburger Bischof Franz Jung verfügte Anfang 2023 seine Suspendierung, doch der Diakon legte in Rom Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Diese Woche verbot Generalvikar Jürgen Vorndran Glaser jede Mitwirkung in dem von ihm initiierten Verein.

Sakramenten-Spendung problematisch

Auch aus der kleinen Nordisch-Katholischen Kirche kommt Kritik. Deren Generalvikar Daniel Gerte teilt auf Anfrage mit, der Mitstreiter Glasers sei 2014 als Diakon ordiniert worden, habe die Kirche aber vier Jahre später verlassen. 2023 sei er wieder eingetreten, aber nicht erneut in den Klerus aufgenommen worden. Einen Seelsorgeauftrag habe er nicht.

Die Absicht des Vereins, Menschen in seelsorglichen Notlagen beizustehen, begrüßt Gerte. Dass er auch Sakramente spenden wolle, sieht der Generalvikar aber kritisch. Dazu seien "in aller Regel die Einbindung in die Gemeinschaft der Kirche und ein bischöflicher Auftrag" erforderlich. Im Übrigen hoffe man, dass der "Konflikt zwischen den beteiligten Personen und dem Bistum Würzburg so bald wie möglich beigelegt wird".

Experte: "Verein legt Finger in die Wunde"

Der Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz verfolgt den Fall mit Interesse. In der Seelsorge der verfassten Kirche spielten Einzelpersonen "gar keine Rolle mehr, und das, obwohl die Gesellschaft sich immer mehr individualisiert". Auf den eigenen Personalmangel mit der Kollektivierung kirchlicher Angebote zu reagieren, hält der Wissenschaftler für die falsche Strategie. Insofern lege der neue Verein den Finger "in eine tatsächliche Wunde".

Ebertz glaubt aber nicht an eine dauerhaft nennenswerte Resonanz. Dafür sei die kirchliche Autoritätsgläubigkeit im katholischen Unterfranken noch zu groß.

Es soll weitere interessierte Theologen geben

Spannend werde sein, ob sich an dem provokanten Experiment, wie er es nennt, weitere Seelsorgende und Gläubige beteiligen und ihm Gelder zufließen. Die Bistumsleitung müsse überlegen, wie sie die Entwicklung eingemeinden könne: "Wenn sie klug ist, setzt sie auf Inklusion, nicht auf Ausgrenzung."

Glaser erzählt, es hätten sich schon zwei weitere Theologen gemeldet, die mitmachen wollten. Er hofft auf ein "gutes Miteinander" mit dem Bistum und ein Ende der Sanktionen gegen seine Person. Selbst austreten wolle er auf gar keinen Fall.

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