Professor aus Utrecht spricht beim 1. Oldenburger Zukunftsforum am Samstag

Theologe Jan Loffeld: Zeit der Rundum-Sorglos-Pastoral kommt ans Ende

Anzeige

Am Samstag, 24. Juni, findet das 1. Oldenburger Zukunftsforum zur Kirchenentwicklung in den Pastoralen Räumen statt. Der Priester und Professor Jan Loffeld ist einer der Referenten bei der neuen Veranstaltung. Im Interview spricht er über fundamentale Veränderungen in der Kirche.

Herr Loffeld, als Priester des Bistums Münster und Hochschullehrer für Pastoraltheologie leben Sie in den Niederlanden. Was erleben Sie dort und was lässt sich auf die Situation im Bistum übertragen?

Auch wenn es paradox klingt: Vieles hier ist der Situation in Deutschland sehr ähnlich und doch ist alles anders. Die Niederlande sind stark durch den Calvinismus geprägt, der moderne Kapitalismus ist hier geboren worden – und auch der europäische Kolonialismus hat hier eine seiner Wurzeln. Gegenüber Deutschland ist die Gesellschaft in den Niederlanden stärker individualisiert. Es herrscht viel mehr Eigenverantwortung und daher auch Effektivität. Zugleich gibt es weniger religiöse Traditionen. Nur noch 30 Prozent der Niederländer sind Mitglied einer religiösen Gemeinschaft, nur noch 20 Prozent glauben im transzendenten Sinn an Gott. Damit will ich sagen: Die Gesellschaft ist zwar eine andere. Zugleich erleben die Niederlande aber mit Blick auf die religiöse Entwicklung etwas Ähnliches wie Deutschland und sind darin Deutschland voraus. Traditionen brechen ab, die Gesellschaft wird säkularer, also weniger religiös.

Trotzdem könnte man meinen, in Deutschland – vor allem in manchen stark katholisch geprägten Gebieten – sei die kirchliche Welt „noch in Ordnung“. Ein Trugschluss?

Der religiöse Grundwasserspiegel sinkt auch in Deutschland, bei aller vordergründigen Stabilität der Institution Kirche. Und trotz aller Wertschätzung, die der Kirche für ihre gesellschaftliche Arbeit entgegengebracht wird, und trotz der Integrationskraft, die die Pfarreien immer noch haben. Die Kirchenkrise beschleunigt diesen Prozess nun fast exponentiell. Wenn wir die moderne Gesellschaft allerdings neben unser binnenkirchliches Leben stellen, erleben wir manchmal aber auch eine Form von Kirchlichkeit, die aus der Zeit gefallen ist. Und manchmal senden wir ganz viel, sehen allerdings zu wenig, dass wir häufig auf kein wirkliches Bedürfnis mehr treffen. Daher stelle ich die Frage, ob wirklich jeder Mensch religiös ist beziehungsweise Gott braucht. Aus Untersuchungen wissen wir, dass auch die Frage nach Sinn nicht mehr zur Grundausstattung vieler Menschen im 21. Jahrhundert zu gehören scheint. Auch darüber werden wir beim 1. Oldenburger Zukunftsforum sprechen.

Wie sieht denn die Kirche in zehn, 20 und 30 Jahren aus?

Es wird auch in Zukunft starke geistliche Zentren geben, in denen freiwillig engagierte Menschen gemeinsam Liturgie feiern, Gemeinschaft leben, Zeugnis ablegen und karitativ tätig sind. Wo Religion nur Kultur war und ist, wird sie nicht überleben. Wo sie aber Glaube ist, da hat das Christentum eine Chance. Die Zeit der hauptamtlichen Rundum-Sorglos-Pastoral kommt an ihr Ende.

Angesichts aller Abbrüche: Worauf ruht Ihre Hoffnung als Christ und als Priester in der Kirche?

Ich bin überzeugt: Das Evangelium hat eine Zukunft. Diese wird allerdings völlig divers aussehen. Und: Es gibt keine Dunkelheit, in der Gott nicht wäre. Beides bezeugen mir unsere Theologiestudierenden hier fast jeden Tag.

Worauf können sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Oldenburger Zukunftsforums in Ihrem Beitrag freuen?

Wie geht und was heißt „Säkularisierung“? Darüber werde ich sprechen. Aber auch darüber: Wie können wir uns als Kirche in dieser Entwicklung positiv verorten, statt sie nur als Verlustgeschichte zu begreifen? Unsere Gemeinschaft ist nicht nur auf der Verliererstraße, sondern wir haben trotz allem eine starke Botschaft – und eine Zukunft!

Das 1. Oldenburger Zukunfsforum
Mit hochkarätigen Referenten findet am Samstag, 24. Juni, in Oldenburg das Zukunftsforum zur Kirchenentwicklung in den Pastoralen Räumen statt. Es steht unter dem Titel „Kirche im Wandel“. Eingeladen sind alle Interessierten aus den Pfarreien im Offizialatsbezirk Oldenburg, besonders auch Mitglieder der Pfarrgremien. Veranstalter ist das Bischöflich Münstersche Offizialat. Das Zukunftsforum bietet einen Raum, in dem Interessierte und Engagierte aus der katholischen Kirche im Oldenburger Land sich weiter mit dem Wandel der Kirchengestalt beschäftigen sowie über die damit verbundenen Abbrüche und Aufbrüche in eine Kirche der Zukunft sprechen können. Damit entspricht das Offizialat einem Wunsch, den viele Mitglieder von Pfarreigremien im vergangenen Jahr nach der „Startklar“-Veranstaltung geäußert hatten. Referenten an dem Tag sind Jan Loffeld, Professor für Praktische Theologie an der Tilburg School of Catholic Theology in Utrecht, sowie der Pastoraltheologe Hans Hobelsberger, derzeit Rektor der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Die Veranstaltung im Oldenburger Kulturzentrum PFL (Peterstraße 3) beginnt um 9.30 Uhr mit einem Stehkaffee und endet um 17 Uhr. (pd)

Anzeige