Zu Gast im EVK Münster

Wenn Coskun Özdemir die Palliativstation betritt, weckt das Lebensfreude

Momente mit Lebensfreude: Coskun Özdemir am Bett einer Kranken auf der Palliativstation. | Video: Michael Bönte

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Musik bringt für die schwer Kranken auf der Palliativstation des Evangelischen Krankenhauses in Münster Lebensfreude zurück. Die Schober-Stiftung unterstützt Weiterbildungen dafür.

Wenn Coskun Özdemir die Zimmer der Palliativstation im Evangelischen Krankenhaus Alexianer Johannesstift in Münster betritt, hat er nicht nur ein Instrument dabei. Der Musiktherapeut bringt weit mehr mit als Klänge und Rhythmen. Er bringt Erinnerungen, Ablenkung, Leichtigkeit und Kraft zu den Patienten – Lebensfreude und Lebensqualität für die Schwerkranken.

„Sie beschäftigen sich oft intensiv mit ihrer Krankheit“, sagt Özdemir. „Mit allen Ängsten und Sorgen.“ Er schenkt ihnen einen Moment, wo das „Kranke“ nicht im Vordergrund steht, sondern das Gesunde, das Gelingende. „Etwa die Liebe zur Musik oder die Erinnerung an ein schönes Konzert.“ Der Musiktherapeut geht dabei sensibel auf die persönliche Geschichte des Patienten ein. Welches Instrument gefällt ihm? Welche Musik hat er immer gern gehört? Welches Lied bedeutet ihm etwas?

Patienten werden ruhig, ihre Mimik entspannt sich

Sein Repertoire ist genauso groß wie seine Instrumenten-Sammlung. Trommeln, Gitarren, Xylophon, Tisch-Harfe… „Manchmal hilft aber auch die Playlist von meinem Handy“, sagt Özdemir. „Wenn mir das Lied unbekannt ist.“ Die Wirkung seiner Arbeit beeindruckt ihn dann jedes Mal. „Die Patienten werden ruhig, ihre Mimik entspannt sich, manche singen mit.“ Nicht nur die Melodie wirkt in diesen Momenten. Auch die Schwingungen, der gemeinsame Augenblick, das Gespräch.

„Da war der todkranke Mann, der schon lange auf der Palliativstation lag“, berichtet Özdemir von einem Beispiel dafür, wie viel Kraft ein gemeinsames Lied am Krankenbett entwickeln kann. „Die Angehörigen hatten mir gesagt, dass sie froh wären, wenn er es endlich schaffen würde, loszulassen.“ Gemeinsam sangen sie mit ihm „Keiner schöner Land“: „… der Herr im hohen Himmel wacht – in seiner Güte, uns zu behüten, ist er bedacht.“ Mit dem letzten Wort der Strophe machte der Mann seinen letzten Atemzug. „Das war ein enorm bewegender Moment für alle.“

Es geht um Beziehungsarbeit

Özdemir hat sich für seinen Beruf immer wieder fortgebildet. Die Anforderungen sind komplex. Es geht nicht allein um die richtigen Akkorde. Es geht um Beziehungsarbeit, um Biografien, um Trauerbewältigung und Sterbebegleitung. Als studierter Geronto-Psychologe bringt er dafür viel mit. Trotzdem geht er derzeit noch einen weiteren Schritt. Er lässt sich speziell für den Bereich Palliativ-Psychologie ausbilden – eine einjährige, berufsbegleitende Schulung.

„Die Musik ist das Medium, mit dem ich mich den Patienten nähere“, sagt Özdemir. „Der Grundbaustein aber ist die Beziehungsebene.“ Die Fortbildung wird ihm dafür weitere Qualifikationen an die Hand geben: Gesprächsführung in existenziellen Situationen, Auseinandersetzung mit dem Lebensende, Empathie im Umgang mit Kranken und Angehörigen. „Auch die Auseinandersetzung mit meinen eigenen Gefühlen und Ängsten werden dazu gehören, um mich widerstandsfähig zu machen.“

Schober-Stiftung fördert Hospizarbeit

Finanziert wird die etwa 2.500 Euro kostende Fortbildung von der Schober-Stiftung für Christliche Hospizarbeit in Münster. Seit 20 Jahren fördert sie die ambulante und stationäre Versorgung von Palliativ-Patienten und Hospiz-Bewohnern. „Es geht uns darum, die wichtige, die letzte Lebensphase zu gestalten“, sagt die Vorstandsvorsitzende, Anna Schober. 

Viele Projekte hat die Stiftung dafür mit kleinen und großen Spenden bereits unterstützt. Auch in Zusammenarbeit mit den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen der Alexianer in Münster, für die Özdemir in verschiedenen Einrichtungen im Einsatz ist. „Palliative Versorgung nimmt den ganzen Menschen in den Blick – Körper, Geist, Seele, auch die Beziehung zu Gott“, so Schober. Eine Musiktherapie nehme den Menschen genauso wahr. „Zusammen mit anderen Bausteinen wie Kunsttherapie oder Aroma-Therapie ist sie eine ganz wichtige Ergänzung für die medizinische und pflegerische Versorgung.“

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