Thomas Mählmann spielt einmal in der Woche in der Uniklinik Münster

Der Student am Klavier bringt Leichtigkeit auf die Palliativstation

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Jeden Dienstag kommt Thomas Mählmann auf die Palliativstation der Uniklinik in Münster. Wenn der Lehramtsstudent dort am Klavier spielt, bringt er Ruhe und Leichtigkeit zu den Schwerkranken.

Der Novemberabend hat die Bettentürme des Universitätsklinikums Münster längst in Dunkelheit gehüllt. Starkregen prasselt an die Fenster des riesigen Gebäudes mit Platz für mehr als 1.000 Krankenbetten. Nur noch wenige Menschen suchen über den Eingang im Ostturm den Weg zu den Patienten. Ein besonderer ist unter ihnen: Thomas Mählmann nimmt nicht den Aufzug. Er stapft die Treppen bis zur 16 Etage hinauf, sein Tablet unter dem Arm.

Der Lehramtsstudent wird für eine Stunde eine besondere Atmosphäre auf die dortige Palliativstation bringen. Wie jeden Dienstag, wenn er sich an das Klavier auf den Flur setzt. Sein Angebot ist Teil des Engagements von Studierenden, für das sich die Seelsorge der Uniklinik und die katholische Hochschulgemeinde KSHG zusammengetan haben.

Vorsichtig klopft Mählmann an die Türen der Krankenzimmer. Hier liegen Menschen mit schweren Krankheiten, oft austherapiert, mit Schmerzmitteln versorgt, die ihre Situation erträglich machen. „Möchten Sie, dass ich die Tür offenlasse?“, fragt der 21-Jährige. „Ich mache gleich etwas Musik – da können Sie lauschen.“ Er tritt an die Betten der Patienten, stellt sich vor, bietet die Möglichkeit an, sich ein Lied zu wünschen. Fast alle Türen bleiben danach offen.

Er spielt Dur, nicht Moll

Wenig später ist die erste Melodie zu hören. Leicht, ein wenig verspielt – Mählmann improvisiert. Auf seinem Tablet hat er die Noten der Lieder, seine Hände formen daraus eigene Klänge. Fröhliche, lebendig, helle. Er spielt Dur, nicht Moll. Der triste November bleibt draußen.

Und doch passen die Klänge in die ruhige Abendstimmung auf der Station. Visiten, Therapien und Versorgungen sind für heute vorbei, die Nachtschicht steht an. Einige Pflegekräfte bleiben stehen, genießen die Zäsur in ihrem Arbeitsalltag. An Wänden angelehnt, die Augen auf den Klavierspieler gerichtet oder verträumt geschlossen.

Eine andere Welt

Auch ein Patient kommt mit seinem Tropf in das Gemeinschaftsrondell in der Mitte der Station. Sitzen kann er nach seiner Operation noch nicht wieder so gut. Trotzdem nimmt er für ein paar Minuten Platz. „Probier's mal mit Gemütlichkeit…“ Der Song des Bären Balou aus dem Dschungelbuch ist trotz Mählmanns Improvisation herauszuhören. Danach „Let it be“ und „Stairway to heaven“.

Georg Masur ist der Mann mit dem Tropf. Er wünscht sich einen Schlager. Mählmann spielt „Mit 66 Jahren“ von Udo Jürgens. „Es ist eine wunderbare Ablenkung“, sagt Masur. „Ich habe sonst so viel im Kopf – alles dreht sich nur um meine Krankheit.“  Das Klavierspiel versetzt ihn für einige Augenblicke in eine andere, heile Welt. „Der Mensch braucht so etwas genauso wie den lieben Gott.“

Der Pianist bringt Leichtigkeit mit

Auch Mählmann denkt am Klavier nicht an die Krankheiten der Menschen um ihn herum. Auch er schaltet ab, sagt er. „Meine Lieder sollen andere Emotionen hierher bringen, andere Gefühle wecken.“ Das gelingt nur, wenn der Musiker selbst die Leichtigkeit mitbringt, die er in seinem Spiel vermitteln möchte.

Wie sehr er damit die Herzen der Kranken erreicht, erfährt er oft. Der schwerhörige Mann, der trotz großer Schmerzen aufstand, um auf dem Sofa neben dem Klavier der Musik lauschen zu können, ist so ein Erlebnis. „Er war sichtlich berührt und wünschte sich ein paar Marienlieder.“

Entschleunigung für Stunden

Dem letzten Lied an diesem Abend können die Pflegekräfte nicht mehr lauschen, die Übergabe für die Nachtschicht steht an. In die können auch sie jetzt mit dem guten Gefühl gehen, das die Klaviermusik hinterlassen hat.

„Den Patienten ist das auf jeden Fall anzumerken“, sagt Carsten Wagner. Der Gesundheits- und Krankenpfleger wird bis zum kommenden Morgen auf der Station im Einsatz sein. „Es ist nicht so, dass es ihnen auf einen Schlag besser geht, aber sie sind entschleunigter, gehen gelassener in die nächsten Stunden.“

Ruhe für die Nacht

Mählmann geht noch einmal durch die Zimmer, nachdem er den Deckel über die Tasten geklappt hat. Er verabschiedet sich, fragt, ob es den Patienten gefallen hat, wünscht eine gute Nacht. Die ist für viele schon lange angebrochen. Sie sind erschöpft, von ihrer Krankheit gezeichnet, schlafen bereits. Vielleicht hat die Musik ihnen geholfen, die Ruhe dafür zu finden.

Für den Studenten geht es wieder hinunter. Aus der 16. Etage, durchs Treppenhaus, das Tablet unter dem Arm. „Ich nehme keine Schwere mit, sondern die Freude, anderen Menschen etwas Gutes getan zu haben“, sagt er. „Das Gefühl, dass ich helfen kann“. Und er nimmt die Vorfreude auf die kommende Woche mit – auf alte, bekannte Gesichter. Aber auch auf neue Patienten, deren Türen am Dienstagabend wieder für eine Stunde offen stehen.

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