Einmal im Monat in Vechta

Wie Constanz Dorniak Witwern zurück ins Leben helfen will

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Es gab einfach nichts Passendes für Männer wie ihn. Deshalb hat Constanz Dorniak aus Dinklage eben selbst einen Witwer-Treff gegründet. Kein Trauercafé, sondern mit einem anderen Ansatz.

So etwas brauchte er nicht! Constanz Dorniak erinnert sich an einen Vormittag in der Friedhofskapelle. Seine Heimatpfarrei hatte am Morgen von Heiligabend Männer und Frauen eingeladen, die ihren Partner oder ihre Partnerin verloren hatten – und es sicher gut gemeint. „Aber der ganz in schwarz gekleidete Pfarrer sprach nur von Leid, Trauer und Tod.“ Der 66-Jährige schüttelt den Kopf. „Das sind Begriffe, die mich um Meter zurückgeschmissen haben“, sagt er und fügt an: „Ich wollte doch nach vorne schauen!“

Nach vorne schauen! Worte, die oft fallen im Gespräch mit dem Mann aus dem oldenburgischen Dinklage (Kreis Vechta). Der sich nach schwierigen Jahren wieder ins Leben zurückgekämpft hat. Heute kann er ruhig und gefasst von der ersten Zeit nach 2020 erzählen. Dem Sommer, in dem seine Frau Irmgard starb. „Nach kurzer schwerer Krankheit“, so steht es in der Traueranzeige.

Gespräche mit Fremden halfen ihm

Ruhig spricht der Witwer heute von den Monaten danach: Von seiner Sorge um die beiden erwachsenen Söhne und seinem eigenen Bemühen, wieder Tritt zu fassen. Wie er rasch wieder in seinen Beruf als Außendienstler einstieg. Und wie manche seiner Kunden ihm seine Situation ansahen und darauf ansprachen.

Das war vielleicht so etwas wie ein Schlüsselmoment: Fremde Menschen spürten, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Und Constanz Dorniak zog sich nicht zurück, sondern erzählte seinen Geschäftspartnern von den Schicksalsschlägen – und machte dabei eine unerwartete Erfahrung: „Es flossen auch Tränen dabei, aber die Gespräche haben mir gutgetan.“ Und sie hätten ihm mehr geholfen als so mancher Spruch direkt nach der Beerdigung auf dem Friedhof. Floskeln wie „Kopf hoch!“ oder „Wird schon wieder!“

Im Umkreis von 150 Kilometern nichts Vergleichbares

In Antoniushaus in Vechta lädt das Solus-Café einmal im Monat Männer ein, die ihre Partnerin verloren haben. | Foto: Michael Rottmann
Im Antoniushaus in Vechta lädt das Solus-Café einmal im Monat Männer ein, die ihre Partnerin verloren haben. | Foto: Michael Rottmann

In der Folgezeit spürte er immer mehr: Mit Fremden fiel es ihm deutlich leichter, über seine Trauer und seine Sorgen zu sprechen, leichter sogar als mit engen Verwandten. „Vielleicht, weil die ja selbst mit ihrer eigenen Trauer zu tun haben“, versucht er eine Erklärung.

So kam ihm nach seinem Eintritt in den Ruhestand im vergangenen Jahr die Idee, sich regelmäßig mit Männern in einer ähnlichen Situation zu treffen. „Nicht in einem Trauercafé. Sondern an einem Ort, wo Männer mit der gleichen Erfahrung sich gegenseitig zuzuhören, sich stärken und gemeinsam nach vorne schauen können.“ Von einer Bekannten wusste er: Für Frauen gab es so etwas an verschiedenen Orten bereits, auch in der Nähe. Nach einem Angebot für Männer jedoch suchte Constanz Dorniak im Umkreis von 150 Kilometern vergeblich.

„Solus-Café“ lädt einmal im Monat ein

Also gründete er Anfang des Jahres selbst einen Treffpunkt. Angedockt an die katholische Bildungsstätte Antoniushaus in Vechta lädt er seit April in dem von ihm sogenannten „Solus-Café“ einmal im Monat verwitwete Männer zum Austausch ein. Immer sonntags um 15 Uhr für gut zweieinhalb Stunden bei Kaffee und Kuchen.

Ein festes Jahresprogramm für die zwanglosen Treffs gibt es nicht. Bei den ersten Zusammenkünften drehten sich die Gespräche um die eigene Situation der Männer, um Sorgen und Pläne. Constanz Dorniak zählt einige Themen auf: „Die Frage, ob man sein Haus verkaufen soll, um in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Oder, was die Einsamkeit mit einem macht und was man dagegen tun kann.“ Zum Beispiel, als ehrenamtlicher Rikscha-Fahrer Senioren kutschieren, wie es ein Teilnehmer von sich berichtete. „So geben wir uns gegenseitig Anstöße“, sagt er. „Wir wollen einander helfen, ins Leben zurückzukommen!“

Männer kommen auch von weit her

Jeder ist eingeladen
Das Solus-Café lädt einmal im Monat Männer ein, die ihre Partnerin verloren haben. Die Treffen finden immer sonntags um 15 Uhr statt. Interessierte können sich beim Antoniushaus in Vechta, 04441/999190, oder direkt bei Constanz Dorniak, 0162/1985824, anmelden.

Dabei könnten auch die Treffen im kommenden Herbst helfen. Dazu hat Organisator Dorniak Vertreter von Caritas, im Oktober, und Maltesern, im November, eingeladen. „Sie sollen erklären, wo ihre Organisationen helfen können, aber auch, wie man sich bei ihnen ehrenamtlich engagieren kann.“

Nachdem beim Start im April gerade mal vier Männer gekommen waren, hatten sich nach einem Bericht in der Lokalzeitung zuletzt mehr als ein Dutzend zum Solus-Café angemeldet. Die meisten kommen aus den Landkreisen Vechta und Cloppenburg, manche auch von weiter her. Einer fahre eine Dreiviertelstunde mit dem Auto nach Vechta, weil ihm die Treffen so wichtig seien.

Auch, wenn in seinem eigenen Leben die Zeichen mittlerweile auf Zukunft stehen – der Rentner hat sein großes Haus verkauft, geht viel auf Reisen und schaut voller Tatkraft in die Zukunft – Constanz Dorniak weiß, wie steinig der Weg dahin ist. „Das Schlimmste ist die Winterzeit allein zu Hause.“ Und er lädt Männer ein, etwas dagegen zu tun.

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