Themenwoche: Keine Angst vor der Leere (2)

Wie das „Bilderfasten“ den Blick fürs Wesentliche neu ermöglicht

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Es ist ohnehin ein beeindruckender Kirchraum: die Kunst-Station Sankt Peter Köln. Deren künstlerischer Leiter Guido Schlimbach über Verhüllen und neues Sehen.

Bilder in der Kirche, am besten noch moderne, das ist mein Ding, als interessierter Theologe und als engagierter Kunstvermittler im Bereich von Theologie und Gottesdienst. Wer kennt sie nicht, die wunderbaren Ausstattungen berühmter Kirchen, vom Markusdom in Venedig über die Sixtinische Kapelle hin zur Rosenkranzkapelle von Matisse bei Nizza, um ein modernes Pendant zu nennen. Viele weitere, auch unbekannte Kirchen bieten eine Fülle an Bildern, die sich im Bewusstsein der Gläubigen eingeprägt haben.

Ebenso ikonografisch wie diese reich bebilderten Beispiele erlebe ich die von Rudolf Schwarz 1930 errichtete Kirche St. Fronleichnam in Aachen. Die an die Industriebauten dieser Zeit angelehnte Architektur bietet auf der Stirnwand keine malerisch gestaltete Darstellung, sondern eine leere weiße Wand. Über dem Hochaltar ist weder der erhöhte Herr am Kreuz, noch den wiederkommenden Weltenrichter zu sehen. Die leere Wand bietet Gelegenheit, die Leere als Raum der Theophanie, der Erscheinung Gottes unter uns zu erleben.

Verhüllung ermöglicht neuen Blick aufs Wesentliche

Themenwoche: Keine Angst vor der Leere
Wir wagen in dieser Woche einen Perspektivwechsel. Es fehlt nicht unbedingt etwas, wenn die Bänke aus einer Kirche geräumt oder Bilder verhüllt sind, im Gegenteil. Auch ein Tag ohne Termine und Verpflichtungen kann bei der Suche nach einem neuen Blick auf das Leben und die Welt helfen. Vier Beispiele stellen wir vor.

Eine Entsprechung findet dieses Phänomen in der Tradition des Velum Quadragesimale, des Fastentuchs. Leider ist dieser alte Brauch nur noch selten zu erleben, statt in der österlichen Bußzeit die Bilder konsequent zu verhüllen, werden, aus guter Absicht verstärkt durch die Misereor-Aktion, zusätzliche Fastenbilder aufgehängt.

Das konsequente Verhüllen der Bilder in der Fastenzeit soll uns darin bestärken, die Leere als Gefühl der Spannung, der Erwartung zu empfinden. Das „Bilderfasten“ lädt uns ein, innezuhalten und Kunst, gerade in Zeiten medialer Bilderflut, nicht absolut, sondern kritisch zu sehen. Die Verhüllung soll einen neuen Blick auf das Wesentliche, das Geheimnisvolle, das sich hinter den Bildern verbirgt, ermöglichen.

Bilder neu wahrnehmen

Nach einem Wort des Malers Georg Baselitz sehen wir die Bilder, die wir täglich sehen, nicht mehr. Indem sie zeitweise unseren Blicken entzogen werden, nehmen wir sie nach der Verhüllung umso mehr und neu wahr.

Die Leere als optische Erfahrung hat ein akustisches Gegenstück, die Stille, das Schweigen. Beides länger auszuhalten und wertzuschätzen, kann gerade in der Fastenzeit eine bereichernde Erfahrung sein.

Mehr Informationen zur Kunst-Station Sankt Peter Köln sind online abrufbar.

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