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Das Institut für Theologische Zoologie in Münster hat ein Projekt initiiert, bei dem „Archegärten“ auf Friedhöfen in ganz Deutschland entstehen: Orte, an denen die Natur die Religionen verbinden sollen.
Dieser Frühlingstag ist wie gemacht, um zu spüren, wie viel Leben es auf dem Waldfriedhof Lauheide bei Münster gibt. Der Vogelgesang ist nicht zu überhören, die Insekten schwirren umher und auch ein Reh hat sich in eine Senke zwischen den Bäumen gewagt. Das alles ist wie ein Beleg für das Team auf seinem Weg zu einem der Pilot-Standorte seines Projektes „Der Friedhof lebt“: ein muslimisches Gräberfeld.
Ein Ort, an dem die Grundidee der Initiatoren vom Institut für Theologische Zoologie in Münster deutlich wird. Sie hat zwei Facetten, sagt die Projektleiterin Dr. Deborah Williger: „Zum einen sind es die Möglichkeiten interreligiöser Begegnungen, die es auf einem Friedhof gibt – zum anderen die Chancen für einen ökologischen Blick auf diesen Ort.“
Wie Tod und Klima miteinander verbunden sind
Die Themen Tod und Klimaveränderungen haben etwas Verbindendes, sagt Williger: „Sie spielen in allen Religionen eine wichtige Rolle.“ Das Gräberfeld bringt diese Themen spürbar zusammen. „Zum einen ist es ein Rückzugsort für viele bedrohte Arten, zum anderen ist es ein Begegnungsort, an dem sich Menschen mit dem Lebenskreislauf, der Vergänglichkeit, aber auch mit der Perspektive nach dem Tod auseinandersetzen.“ Der Friedhof ist für diesen Zweiklang eine Kulisse mit besonderer Ausstrahlung.
Es werden sogenannte „Interreligiöse Archegärten“ entstehen – Friedhofsbereiche, in denen sich diese beiden Facetten treffen. Mit einfachen Mitteln: Ein Bildungskonzept soll entstehen, mit dem sich Interessierte der Thematik nähern können. Auch wird es Trauer- und Erinnerungsräume geben, in denen sich die Menschen über Religions- und Kulturgrenzen dem Thema nähern können. Und es sollen Konzepte erarbeitet werden, mit denen die biologische Vielfalt auf einem Friedhof gefördert werden kann.
Friedhöfe mit viel Potenzial für den Naturschutz
Für den Landschaftsökologen Robert Boczki gibt es dafür auf Friedhöfen ein sehr großes Potenzial. „Es gibt viele Möglichkeiten, ein bisschen Wildnis und Natur wieder zuzulassen.“ Der Waldfriedhof Lauheide ist für ihn ein „Paradebeispiel“ dafür, diese „vielseitige Lebendigkeit“ entwickeln zu können. Durch unberührte Wald- und Wiesenflächen wird vielen Lebewesen Raum gegeben, die auf anderen Friedhöfen kaum ein Zuhause finden können. Zum Beweis schwingt er einmal seinen Kescher durch das hohe Gras und hat einen seltenen Nachtfalter gefangen – einen Pantherspanner.
Friedhöfe, denen dieses Angebot fehlt, können mit wenigen Maßnahmen viel erreichen, erklärt Boczki. „Häufig reicht schon ein Tun durch Unterlassen – die Wiese nicht mähen, wildwachsende Grünstreifen ermöglichen oder Hecken wuchern lassen.“ Auf dem muslimischen Friedhof verweist er auf einige Gräber, auf denen neben den Grabsteinen heimische Wildkräuter blühen. „Eine solche Grabstelle ist eine umfangreiche Lebenswelt.“
550.000 Euro für drei Jahre
Die vielseitige Vorgehensweise des Projekts wird auch in der Besetzung des siebenköpfigen Teams deutlich – multiprofessionell, aus unterschiedlichen Fachgebieten besetzt: Biologie, Theologie, Agrarwissenschaft, Informatik. Finanziert wird die siebenköpfige Gruppe aus Teilzeitkräften unter anderem vom Bund und von der Stiftung Umwelt und Entwicklung in Nordrhein-Westfalen: 550.000 Euro sind für die ersten drei Jahre veranschlagt.
Derzeit ist das Projekt bereits an drei Standorten präsent. Neben dem Waldfriedhof Lauheide auch auf dem Zentralfriedhof in Münster und auf einem Friedhof in Erftstadt bei Köln. Dabei stehen sowohl christliche, muslimische als auch jüdische Grabfelder im Fokus. „Die Ausstrahlung soll aber an keiner Religions- oder Kulturgrenze haltmachen“, sagt Williger. „Alle sind eingeladen mitzumachen.“
Multiplikatoren gesucht
Am Ende der ersten Projektphase sollen dann an acht Standorten in Deutschland „Archegärten“ entstanden sein. Dafür sucht das Team noch Multiplikatoren, weitere Pilot-Standorte und ehrenamtliche Unterstützer. Ziel ist auch die Vernetzung mit Friedhofsgärtnereien, Naturschutzverbänden oder Umweltinitiativen.