Zum Internationalen Tag der Drogentoten am 21. Juli

87 Namen auf der "Todesliste" von Drogen-Streetworker Werner Dicks-Jarosch

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Am 21. Juli ist der internationale Tag für verstorbene Drogenabhängige. Auch Werner Dicks-Jarosch, seit 40 Jahren Suchtberater bei der Caritas, hat viele Menschen kommen und gehen gesehen. Fast 90 davon hält er auf seiner persönlichen Liste in bleibender Erinnerung.

Werner hat Peter (Name von der Redaktion geändert) 40 Jahre gekannt. Schon in seiner Zeit als Streetworker – damals, mit langen Haaren, Anfang der 80er in den Diskotheken in Geldern und Uedem – lernte er ihn kennen. „Der Kontakt brach nie ab. Immer wieder kam Peter zu mir in die Beratung“, blickt Werner zurück. Er ergänzt: „Und wie bei so vielen war es auch bei Peter ein ständiges Auf und Ab.“

Werner Dicks-Jarosch – braune Boots, blaue Jeans, Ringelshirt und Kapuzenjacke – blickt an diesem Morgen in seinem Büro im Caritas-Beratungszentrum an der Mühlenstraße 52 in Goch zufrieden drein. Er nimmt ein weißes Blatt Papier zur Hand. Er schluckt. 87 Namen stehen drauf. „Und alle sind es wert, in meiner Erinnerung zu bleiben“, sagt er. Peter ist Nummer 86. Er starb im vergangenen Jahr.

Eine "Todesliste" seit 1983

Zahlen und Fakten
Mit 703 Drogentoten liege NRW nach den jüngst veröffentlichten Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums bei den absoluten Zahlen für 2022 mit weitem Abstand an der Spitze der Bundesländer. 2021 ist mit einem Anstieg um 73 Prozent auf 693 Drogentote der höchste Stand seit 30 Jahren erreicht worden. Wie aus Angaben des Landeskriminalamtes hervorgeht, hat sich die Zahl der Drogentoten binnen vier Jahren mehr als verdreifacht. | Quelle: Caritas NRW

Das weiße Blatt Papier ist die sogenannte „Todesliste“ von Werner Dicks-Jarosch, der seit 40 Jahren Suchtberater bei der Caritas Kleve ist. Handschriftlich angefangen im Jahr 1983, als er als 24-Jähriger, frisch vom Studium, seine erste, feste Stelle als Suchtberater für den Caritasverband Kleve in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Kleve antrat. „Beenden werde ich sie am 1. September 2024 – mit dem Beginn meiner Rente“, sagt Werner Dicks-Jarosch.

Mehr als 41 Jahre wird er dann für die Caritas Kleve tätig gewesen sein. In Kleve. Vor allem aber in Goch und Kevelaer sowie in der Justizvollzugsanstalt in Pont. In dieser langen Zeit war er mit seiner humorigen, bodenständigen und nüchternen Art immer nah bei den Menschen. 

Junge Menschen starben von heute auf morgen

Werner Dicks-JaroschWerner Dicks-Jarosch ist seit 40 Jahren Drogenberater bei der Caritas Kleve. | Foto: Julia Lörcks

Die „Todesliste“ erzählt Geschichten der Menschen, die den Weg zu den Caritas-Beratungsstellen gefunden haben. „Junge Menschen, die von heute auf morgen starben, weil sie sich eine Überdosis Heroin gespritzt haben. Eltern, die verzweifelt bei mir im Büro saßen, weil sie ihr Kind verloren haben. In meinen ersten 20 Jahren als Suchtberater gehörte der Tod zu meiner täglichen Arbeit dazu“, blickt Dicks-Jarosch zurück.

„Heute ist das zum Glück anders. Das Konsumverhalten hat sich verändert – und damit auch die Sterberate.“ Er blickt mit Abstand auf diese Zeit zurück. Heute ist er 64 Jahre alt, doch damals, als er während seines Zivildienstes im Krankenhaus den Leiter der ersten Suchtberatungsstelle im Kreis Kleve, Ton Bakker, kennenlernte, war er jung und unerfahren. „Ich kam aus einem wohlbehüteten Elternhaus, ich hatte noch nicht viele Schicksale und Abgründe gesehen.“

Veränderter Konsum, veränderte Menschen

Ja, waren es früher die harten Drogen, die dem Körper unmittelbar zugeführt wurden, so sind es heute hauptsächlich Amphetamine und Cannabis-Pflanzen, die zum Aufputschen oder Runterkommen eingenommen beziehungsweise geraucht werden. „Daran stirbt man aber nicht sofort“, weiß der Sozialarbeiter. Gleichwohl verändere der Konsum, vor allem wenn die Drogen über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, Geist und Körper.

Die meisten Klienten der Caritas-Beratungsstellen für Suchtfragen kommen aber immer noch wegen der „Diagnose Alkohol“. „Manche nur für drei Monate, weil sie anschließend in eine Entzugsklinik gehen. Manche für Jahre, weil sie in mir einen Ansprechpartner gefunden haben“, sagt Dicks-Jarosch. Dabei möchte er niemanden etwas aufzwingen. „Männer oder Frauen können auch zu uns kommen, wenn er oder sie weiterhin konsumieren wollen. Gleichwohl sollten sie einen Wunsch haben.“

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