Die 70-Jährige ist seit 20 Jahren abstinent

So hat der Kreuzbund Monika Gerhards aus dem Leben mit Alkohol geholfen

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Von der Alkoholabhängigen zur Helferin: Monika Gerhards aus dem oldenburgischen Lohne (Kreis Vechta) hat getrunken, um in stressigen Zeiten abzuschalten. Im katholischen Kreuzbund fand sie Weggefährten für ein Leben ohne Sucht. Für sie ist das gelebte Nächstenliebe.

Ziemlich genau 20 Jahre. So lange lebt sie jetzt abstinent. Monika Gerhards weiß das Datum auswendig. „Es war der 27. Februar.“ Das Lächeln der 70-Jährigen zeugt davon, wie wichtig ihr der Tag ist. Einfach war es nicht, gerade die erste Zeit. „Die vielen kleinen Herausforderungen, an die man nicht denkt, wenn man aus der Klinik kommt und meint, man hat es geschafft.“

Und dann kommt der Alltag. Monika Gerhards zählt auf: „Die Alkoholregale im Supermarkt, an denen man vorbeimuss, die Flaschen an der Kasse, die Feiern, der nächste Geburtstag, Silvester.“ Und dann noch das, was die Frau aus Lohne „Suchtgedächtnis“ nennt. Zuerst sei ihr das vorgekommen wie ein kleiner Teufel auf der Schulter. Der in stressigen Situationen den Alkohol ins Spiel brachte und plärrte: „Mich gibt es doch auch noch! Ich kann Dir helfen!“

In die Sucht geschlittert

Warum sie dennoch nie wieder auf die Verlockungen hereinfiel? „Weil ich wusste, in welchen Teufelskreis mich ein Rückfall bringen würde.“ Und weil sie nach mehreren vorangegangenen Entgiftungen bei ihrem letzten Klinikaufenthalt in Bad Essen den festen Entschluss gefasst hatte, abstinent zu werden, „das erste Mal in meinem Leben so richtig.“

Sie kannte die Gefahr. Langsam, aber stetig hatte sich der regelmäßige Griff zur Flasche in das Leben der Sozialpädagogin geschlichen. Besonders nach ihrer Scheidung. Zwölf Jahre war sie verheiratet gewesen. „Ich wollte es mit meinen Töchtern allein schaffen: Job und Familie. Ich wollte nicht um Hilfe bitten.“ Trotz Stress und Überforderung.

Monika Gerhards nutzte Alkohol zur Betäubung

Anfangs ging das noch. „Ich habe auch damals schon regelmäßig getrunken“, sagt Monika Gerhards. Doch als die Anforderungen ihre Kräfte überstiegen, begann die alleinerziehende Mutter, den Alkohol gezielt zu benutzen. Um Stimmungen zu verändern, um mit Ängsten fertigzuwerden, um Einsamkeit zu überwinden.

„Ich spürte, dass ich damit abschalten und Sorgen dämpfen konnte.“ Freunden und Bekannten sei das durchaus aufgefallen, hörte sie später. Aber niemand traute sich, sie auf das Thema anzusprechen. „Zum Schluss habe ich 24 Stunden getrunken“, beschreibt Monika Gerhards ihren Tagesablauf auf dem Höhepunkt ihrer Sucht. „Ich musste immer einen gewissen Pegel haben.“

Nachts trank sie, um schlafen zu können

Dafür ist sie auch nachts aufgestanden, um nach ein, zwei Gläsern weiterschlafen zu können. Überwiegend Wein und Sekt. Morgens startete sie damit in den Tag, „damit ich funktionieren konnte.“ Aber auch das mit dem problemlosen Funktionieren bildete sie sich irgendwann nur noch ein.

Und sie hatte keine Vorstellung davon, wie sie da wieder herauskommen sollte. „Eine Zeit lang glaubt man, man kann das allein schaffen. Bis man irgendwann kapiert, dass das nicht geht und dass man Hilfe braucht, um die man bitten und die man auch annehmen kann.“

Wille allein hätte nicht ausgereicht gegen das Trinken

Ihr Wille allein hätte nicht ausgereicht, da ist sie sich sicher. Aber da war ja noch diese Gruppe, der sie sich einige Zeit davor angeschlossen hatte: der Kreuzbund, eine katholische Selbsthilfeorganisation für Suchtkranke und deren Angehörige. Wo die evangelische Christin regelmäßig mit anderen Betroffenen zusammenkam, um über Ängste und Sorgen zu sprechen und sich gegenseitig zu stützen.

„Ohne diese Hilfe hätte ich das mit der Abstinenz gerade in der ersten Zeit nach der stationären Suchttherapie wohl nicht geschafft“, sagt sie. Auch wenn sie in der Klinik viel gelernt hatte. Zum Beispiel, mit ihrem Alleinsein klarzukommen und sich zufrieden zu fühlen. Dennoch blieben Krisen nicht aus.

Im Kreuzbund fand Monika Gerhards Hilfe gegen die Sucht

Buchhinweis
Buchcover
Die Idee zu ihrem Buch kam Monika Gerhards beim Blick in Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit nach ihrer letzten Suchttherapie. Mit persönlichen Erfahrungen und Tipps will sie Menschen helfen, die selbst in dieser Situation stecken.
Monika Gerhards:
„Zurück auf Los – Zurück ins Leben“
Geest-Verlag 2022
91 Seiten, 11 Euro
ISBN 978-3-86685-932-6

Monika Gerhards erzählt, wie sie dann immer jemanden aus dem Kreuzbund anrufen konnte. „Es gibt zum Beispiel eine Notfallliste mit Nummern von anderen Betroffenen. Mit denen kann man sprechen, bevor man zur Flasche greift, auch mal nachts oder frühmorgens.“

Rückfälle hatte sie seither nie wieder. Und sie fasste nach und nach immer fester Tritt in ihrem neuen Leben ohne Alkohol. Sie besuchte Seminare und entwickelte sich selbst zu einer Expertin, die anderen helfen konnte.

Heute leitet sie selbst Kreuzbund-Gruppen

„Das ist ja das Prinzip von Selbsthilfe“, erklärt sie. Mittlerweile leitet sie auch Gruppen mit Betroffenen, führt Gespräche, klärt neue Mitglieder auf. Es geht um Drogen, Alkohol, Tabletten oder auch Spielsucht. Und auch Monika Gerhards Telefon klingelt schon mal nachts.

Sie nennt den Einsatz des Kreuzbunds „gelebte christliche Nächstenliebe“. Dass man sich in einem geschützten Rahmen gegenseitig Vertrauen entgegenbringe und einander stütze. Und wo auch Gott und Glaube nicht außen vor bleiben.

Gerhards: Kreuzbund gelebte Nächstenliebe

Monika Gerhards berichtet zum Beispiel von den Kreuzbund-Gottesdiensten, zu denen sich Mitglieder in jedem Jahr in der Fastenzeit im Wallfahrtsort Bethen bei Cloppenburg treffen, von den Familienwallfahrten im Juni oder vom Erntedankfest im Herbst.

„Der Kreuzbund hat mich stark gemacht“, sagt die Rentnerin. „Die Erfahrung von Gemeinsamkeit, sich gegenseitig zu helfen und füreinander da zu sein, und auch aus Gebeten oder Gottesdiensten.“

Teufel taucht bei ihr nicht mehr auf

Der Teufel sitze heute nicht mehr auf ihrer Schulter. „Es ist eher eine Art Clown, der mich ab und zu überreden will, leichtsinnig zu werden.“ Zum Beispiel im Sommer im Biergarten. Wenn er flüstere: „Jetzt ein Glas Alster. Ach, wie schön wäre das!“ Oder bei einem Sektempfang: „Das eine Gläschen macht doch nichts aus!“

Bis sie solche leichtsinnigen Gedanken bewusst wieder vertreibe. Mit inneren Sätzen wie: „Hallo? Was denkst Du da eigentlich gerade?“ Das spüre sie als Stärke. Wenn die Verlockungen des Leichtsinns verschwinden.

„Denn es gibt kein kontrolliertes Trinken“, ist Monika Gerhards überzeugt. „Mit dem einen Glas Sekt könnte ich heute vielleicht umgehen und nicht mehr weitertrinken. Aber in 14 Tagen bei der nächsten Feier würde ich das wieder denken, und so weiter.“ Monika Gerhards schüttelt den Kopf. Sie habe mittlerweile schon so viele schwierige Situationen ohne Alkohol verkraftet. „Da wüsste ich nicht, was mich bewegen könnte, wieder zu trinken.“

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