Darum sucht ein Chefreporter bewusst die Stille

Christoph Kiefer: Theologe, stiller rasender Reporter, bald Diakon

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Der Theologe Christoph Kiefer arbeitet als Chefreporter der Nordwest-Zeitung in Oldenburg. Er liebt diesen lokalen Journalismus. Aber er nimmt sich auch bewusst Zeit für Stille und Kontemplation. Inzwischen bereitet er sich auf die Weihe zum Ständigen Diakon vor.

Lässt sich ein Beruf vorstellen, der weniger leise und still ist als der des Reporters? Lautet nicht der klassische Begriff sogar „rasender Reporter“? Trifft nicht gerade dieser Begriff zu auf Christoph Kiefer, inzwischen Chefreporter der Nordwest-Zeitung?

Kiefer nickt, er stimmt zu. „Ich liebe das, diesen Journalismus im Lokalen. Ich liebe es, überall die Nase hineinzustecken. Abendtermine sind mir nie zu viel, ich komme gerne mit den Leuten in Kontakt.“ Die Arbeitstage sind also offensichtlich unruhig und laut.

Regelmäßig im Forum St. Peter zu Gast

Dabei ist eigentlich die Stille eine Art Hobby von Christoph Kiefer. Jeden Montagabend versammelt er im Forum St. Peter, Zentrum der City-Seelsorge in Oldenburg, Menschen um sich. Mal sind es 15, mal 20. Sie werden still, schweigen, meditieren, üben Kontemplation. Laut ist es dort dann gerade nicht.

Außerdem hat Kiefer erst vor kurzem mit einem Team für die Stadt Oldenburg eine „Woche der Stille“ organisiert, bei der verschiedene Gruppen versuchten, den Menschen Stille nahezubringen, von Yoga bis Meditation.

Zunächst wollte Kiefer Priester werden

Stille ist also ein großes Thema im Leben von Christoph Kiefer, nicht umsonst lädt er zum Interview in diesen „Raum der Stille“ im Forum St. Peter ein.

Wie passt das zusammen: Reporter im lebendigen lokalen Journalismus und diese Nähe zum Schweigen? Es hat zu tun mit dem Lebensweg von Christoph Kiefer. Denn der Reporter aus Oldenburg wollte zunächst Priester werden. Aufgewachsen am Rhein, in der Nähe von Rüdesheim, habe ihn schon früh der Gedanke an ein Theologiestudium beschäftigt, die Frage, ob er nicht Priester werden solle. Nach seiner Bundeswehrzeit meldete Kiefer sich im Bistum Limburg und ging zum Studium an die Jesuitenhochschule St. Georgen bei Frankfurt.

Frömmigkeit im Alltag

Christoph Kiefer im „Raum der Stille“ im Forum St. Peter, Zentrum der City-Seelsorge Oldenburg. | Foto: Franz Josef Scheeben
Christoph Kiefer im „Raum der Stille“ im Forum St. Peter, Zentrum der City-Seelsorge Oldenburg. | Foto: Franz Josef Scheeben

Eine Zeit, die ihn tief geprägt habe. Kiefer erinnert sich an „sehr authentische“ Lehrer unter den Jesuiten. „Sehr klar in dieser Weite und Freiheit, zugleich aber auch mit einem sehr geistlichen Leben“. Das habe ihn angezogen: „Diese Art von Frömmigkeit, die den Alltag durchzieht – das hat mich fasziniert.“ Frömmigkeit im Alltag – dieses Ziel habe ihn auch in das Theologiestudium gebracht.

Kiefer studierte mit Begeisterung, verbrachte ein Jahr zum Studium in München, eines in Rom. „Die Theologie fand ich super interessant.“ Das Fach nehme viel von einem kindlichen Glauben, führe aber hin zu einem neuen, reiferen Glauben. Noch heute spricht Kiefer begeistert von dieser Zeit – auch wenn er dann doch nicht Priester geworden ist.

Fasziniert vom Journalismus

Er suchte später nach einem anderen Lebensweg, lernte bei der Aachener Volkszeitung den Redakteursberuf. „Da ist der Funke übergesprungen“, sagt er heute. „Mir wurde klar: Was ist das für ein toller Beruf!“

Kiefer arbeitete in Aachen, später für die Saarbrücker Zeitung in St. Wendel, Saarlouis und Saarbrücken, dann für die Schwäbische Zeitung in Sigmaringen. Bis er 2011 zur Nordwest-Zeitung nach Oldenburg kam, inzwischen verheiratet und Vater von vier Kindern.

Die lokalen Blätter bewegen was

Hat den akademischen Theologen mit dem Kirchenlehrer Augustinus als ein Forschungsthema nicht auch anderes angezogen im Journalismus? Vielleicht eine hoch anspruchsvolle Feuilletonredaktion?

Kopfschütteln bei Christoph Kiefer. „Das Schöne ist ja: Die lokalen Blätter bewegen noch was, da bekommst du sofort Rückmeldungen, da ist man sehr nah dran am Geschehen.“ Er sei hoch zufrieden.

Allerdings haben den Reporter über die Jahre immer wieder „große Lebensthemen beschäftigt“, erinnert er sich. Um denen nachzuspüren, machte er 2006 Schweige-Exerzitien in der Bildungsstätte „Haus Gries“ bei Bayreuth, bei einem Jesuiten.

Ganz starke Erfahrung

Zehn Tage im Schweigen – eine Erfahrung, die Kiefer regelrecht „umgehauen“ hat, wie er sich ausdrückt. Außer wenigen Begleitgesprächen gab es nur Schweigen, auch bei den Mahlzeiten und in der Freizeit. „Eine starke Erfahrung“, sagt Kiefer. Die ihm geholfen habe, zu sich selbst zu kommen. „Das hat mich sehr, sehr weitergeführt“, betont Kiefer. Diese Zeit sei aber auch der Auslöser gewesen für die Entscheidung: Das hier mache ich weiter.

Inzwischen hat sich Kiefer sogar zum Anleiter für Kontemplationskurse ausbilden lassen. Sein Eindruck: „Ich habe mich persönlich ganz stark weiterentwickeln können. Das ist ein echtes Geschenk in dieser Ausbildung.“

Ein Geschenk für ihn persönlich, das ja. Aber warum sollten Andere, warum sollten Menschen überhaupt sich auf solche Kurse in Kontemplation, in eine stille Meditation, einlassen? Kiefer spricht wieder von eigenen Erfahrungen: Es gehe, anders als in Exerzitien sonst, überhaupt nicht um Worte. Dafür brauche es keine Mediation über einzelne Sätze oder lange Gespräche. Einfach nur Schweigen, einfach nur Stille. „Letztlich geht es dann um eine Begegnung mit sich selbst. Die Erfahrung, mich selbst zu erfahren, führt mich zur Gotteserfahrung. Ich kann Gott nicht kennenlernen, ohne mich selbst kennenzulernen.“

Immer montags Stille

Das versucht er nun jeden Montagabend in einer besonderen Gruppe zu vermitteln. Im Programm des Forums St. Peter heißt das Angebot einfach „Stille in Oldenburg“. In der Werbung des Forums heißt es, man könne dort Lärm, Hektik, Zeitdruck hinter sich lassen, man könne „aufatmen und zur Ruhe kommen“.

Diese innere Ruhe, die Kontemplation, haben bei Christoph Kiefer mit dazu beigetragen, einen besonderen Weg einzuschlagen. Seit einigen Jahren bereitet er sich auf die Weihe zum Ständigen Diakon vor. Nachdenklich sagt er: „Es ist eine Berufung, die immer schon da war. Da kann sich jetzt etwas erfüllen.“

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