Markus Söder belässt Stellvertreter im Amt

Aiwanger-Affäre: Charlotte Knobloch nimmt Entschuldigung nicht an

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Nach der Entscheidung von Ministerpräsident Markus Söder, seinen durch ein antisemitisches Flugblatt in der Kritik stehenden Stellvertreter Hubert Aiwanger im Amt zu belassen, gibt es Reaktionen aus Reihen der jüdischen Gemeinde. Gleichzeitig reißt die Kritik an der Söder-Entscheidung nicht ab.

Die Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hat eine Entschuldigung von Hubert Aiwanger nicht angenommen. Sie sagte am Montag im Deutschlandfunk, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seinen Stellvertreter nicht entlassen habe, sei aus politischen Gründen zu akzeptieren. Im Fall einer Entlassung hätte Aiwanger Knobloch zufolge die Situation für sich ausgenutzt und damit Erfolg gehabt. Dies wäre die größere Katastrophe gewesen.

Der Vorsitzende der Freien Wähler in Bayern habe sich bei ihr gemeldet, erklärte Knobloch. Sie habe seine Entschuldigung nicht angenommen.

Experte: Söder-Entscheidung zu Aiwanger verheerend

Der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, Wolfgang Benz, kritisierte die Entscheidung Söders als verheerend. „Es bestürzt mich als Bürger, wie wenig sich Aufklärung durchsetzt“, sagte Benz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Montag). „Söders Entscheidung ist schwierig bis verheerend. Ob das eine Zäsur ist, werden wir nach der Landtagswahl wissen.“ Er vermute allerdings, dass Aiwanger eher Stimmen gewinnen als verlieren werde.

„Dieses antisemitische Flugblatt und die offensichtlich rechtsextremistischen Aktivitäten Aiwangers würde ich als Jugendsünden abtun, wenn er sich gleich klar dazu geäußert und seiner Scham Ausdruck verliehen hätte“, sagte Benz. „Doch er hat nichts gelernt und schiebt unter Druck seinen Bruder vor.“ Aus Sicht des Wissenschaftlers hat sich der Chef der Freien Wähler auch durch seine öffentlichen Auftritte wie zuletzt in Erding in die Nähe von Querdenkern gebracht. „Das ist zusammen genommen ein so starkes Stück, dass ich Aiwanger nicht mehr an der richtigen Stelle sehe.“

Publizist: Juden nicht Müllabfuhr deutscher Politik


Die Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch äußert sich zum Verbleib Hubert Aiwangers im Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten. | Archivfoto: Sven Simon (imago)

Der jüdische Publizist Rafael Seligmann hatte am Sonntag Söders Rat an Aiwanger kritisiert, das Gespräch mit jüdischen Gemeinden zu suchen. „Wir Juden sind nicht die Müllabfuhr der deutschen Politik“, sagte Seligmann der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Man muss anständig gegenüber allen sein, nicht nur gegenüber Juden, das würde zu ehrlicher Reue zuerst dazugehören.“ Aiwanger solle aufhören, sich als Opfer einer vermeintlichen Schmutzkampagne darzustellen. Seine Taktik schade dem Ansehen der Politik.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, legte Aiwanger einen Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau nahe. Klein sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Es wäre jetzt ein gutes Zeichen, wenn er nicht nur das Gespräch mit den jüdischen Gemeinden, sondern auch mit den Gedenkstätten in Bayern sucht und deren wichtige Arbeit stärkt, etwa durch einen Besuch in Dachau.“

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