Drensteinfurter Synagogenverein stellt sich neu auf

Gegen Antisemitismus: Wie ein Verein jüdisches Leben lebendig macht

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Man muss schon etwas suchen, um das historische Kleinod zu entdecken, das anscheinend auch nicht jeder Drensteinfurter kennt. Wo sich die Synagogengasse befindet, weiß man vielleicht, aber auf die Frage, wo sich denn die Synagoge befindet, kommt nur ein Kopfschütteln. Obwohl der Ort seit 150 Jahren Bestand hat.

Und in der Tat, das kleine Gebäude liegt ziemlich versteckt an einem schmalen Fußweg, der von alten Fachwerkhäusern gesäumt wird. Und nichts deutet zunächst mal auf eine im münsterländischen Backsteinstil errichtete Synagoge hin, es sei denn, man richtet seinen Blick auf den Rundbogen aus Baumberger Sandstein über dem Eingang. Dort steht in hebräischer Schrift „Das ist das Tor zu IHM. Bewährte kommen darein.“

Ab 1872 als Drensteinfurter Synagoge genutzt

Seit dem 6. Juli 1872 verfügte die jüdische Gemeinde in Drensteinfurt über eine eigene Synagoge, zuvor hatte man stets Privaträume als Betsaal benutzt. Wegen Corona ist das 150-jährige Bestehen im vergangenen Jahr ausgefallen, wurde aber vor kurzem mit einem Jubiläums-Vortrag von Thomas Sternberg, ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, jetzt Vorsitzender der Kulturstiftung NRW, zur Geschichte der Juden in Deutschland nachgeholt.

Wie vielerorts in Deutschland erwachte auch in Drensteinfurt die Erinnerungskultur erst in den 1980er Jahren. Das seinerzeit im Privatbesitz befindliche Gebäude sollte in die Denkmalliste aufgenommen werden. Ein zunächst wohl äußerst umstrittenes Vorhaben in der Politik wie auch in der Drensteinfurter Bürgerschaft, das auf Betreiben engagierter Bürger schließlich gegen alle Widerstände umgesetzt wurde, berichtet Robert Vornholt, Vorsitzender des Synagogenvereins. 1988 wurde die Stadt Eigentümerin des zuletzt als Lager genutzten Gebäudes. Das Ehepaar Sabine und Kurt Omland nahm sich der Geschichte der Synagoge an, daraus entstand auch ein Buch.

Sanierung der Synagoge Anfang der 1990er Jahre


Die Synagoge im münsterländischen Backsteinstil liegt ziemlich versteckt in Drensteinfurt. | Foto: Maria Kessing

Die Forschungsergebnisse, die Sabine Omland aus dem Bericht der überlebenden ehemaligen Drensteinfurter Jüdin Herta Herschcowitsch, geb. Salomon, aus dem Aktenstudium und Zeitzeugenberichten gewonnen hatte, weckten bei den Drensteinfurter Bürgern das Interesse an der Geschichte der ehemaligen jüdischen Einwohner und ihrer Synagoge. Im Jahr 1990 gründeten Mitglieder des Gesprächskreises den „Förderverein Alte Synagoge Drensteinfurt“. Er machte es sich zur Aufgabe, ein Nutzungskonzept für die ehemalige Synagoge zu entwerfen und die Stadt bei seiner Umsetzung inhaltlich und organisatorisch zu unterstützen.

Im selben Jahr begann auch die Außensanierung des Gebäudes. Durch die „sanfte“ Restaurierung konnte das bisherige Erscheinungsbild erhalten werden. Bei der Innensanierung wurden alle Farbschichten sorgfältig abgetragen, um den Originalzustand im Jahr der Erbauung zu rekonstruieren. Selbst die Frauenempore mit ihrem gewundenen Treppenaufgang und die Fensterrahmungen sind original erhalten. Die Wiedereröffnung der ehemaligen Synagoge fand am 9. November 1992, also 120 Jahre nach ihrer Einweihung, statt. Ein Jahr später besuchte der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis, die Synagoge.

Synagogenverein will Erinnerungskultur stärken


Robert Vornholt (links) und Walter Huge. | Foto: Maria Kessing

Das Kulturamt der Stadt Drensteinfurt und der Förderverein organisieren zum Teil gemeinsam Veranstaltungen: Lesungen, Filmvorführungen, Ausstellungen, Vorträge und Konzerte. Im Frühjahr dieses Jahres hat sich der „kleine, aber feine“ Synagogenverein mit seinen 50 Mitgliedern neu aufgestellt. Ziel sei es, die Erinnerungskultur offensiver zu gestalten, so Robert Vornholt, der mit dem Historiker Walter Huge als Beisitzer einen profunden Kenner des Judentums an seiner Seite hat.

„Wir wollen die Geschichte der jüdischen Gemeinde und ihre Ausrottung in der Nazi-Zeit jungen Menschen näherbringen“, betont Huge. Bei der Verlegung von zwei Stolpersteinen für die deportierten und ermordeten Geschwister Helene und Emma Terhoch haben die Drensteinfurter Grund- und Teamschule die Patenschaft übernommen. Das Schicksal der beiden Frauen habe die Kinder sehr berührt und nahbar gemacht, so Huge. „Wir wollen neue Wege gehen und alle kommunikativen Möglichkeiten nutzen, um vor allem Kinder und Jugendliche anzusprechen“, sagt Vornholt. Klassenausflüge zu dem „unscheinbaren Kleinod“ könnten auch mit einem Abstecher auf den jüdischen Friedhof verbunden werden.

„Wehret den Anfängen“

Jüdisches Leben sei vielen Menschen fremd. Weil der Rechtsradikalismus eine permanente Bedrohung sei und in Deutschland wieder hoffähig würde, müsse man gegensteuern, unterstreichen die beiden Vorstandsmitglieder: „Wehret den Anfängen.“

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