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Man spricht Portugiesisch im Hause Schulten. Nicht nur, aber doch sehr oft. Wenn eine Ehe das Prädikat „international“ verdient hat, dann ist es die zwischen Adriana und Ludger. Dass sie aus Brasilien stammt, ist dabei nur ein Grund für ihre sprachliche Vielfalt. Dazu gehört auch sein jahrzehntelanges Engagement in der sozialen und pastoralen Arbeit in dem südamerikanischen Land. Natürlich hat beides miteinander zu tun: Er lernte sie in einem Gottesdienst im brasilianischen Receife kennen.
Dass die in Brasilien gesprochene Sprache immer noch ihren festen Platz im Alltag der beiden Rheinenser hat, hat aber noch einen Grund: Das Paar ist in der portugiesischen Gemeinde des Bistums Münster fest verwurzelt. Sie als deren Sekretärin im Pfarrhaus in Münster. Er als ständiger Begleiter bei ihren vielen Aktivitäten der Gruppen in den Pfarreien vor Ort – nach seiner Weihe am kommenden Sonntag auch als Ständiger Diakon.
Die Befreiungstheologie hat es ihm angetan
Eigentlich sind die beiden aber schon lange ein Tandem in Sachen Diakonat. Das unterstreicht Ludger Schulten: „Sie wäre eine tolle Diakonin.“ Das erwidert sie mit einem Augenzwinkern: „Ich kann mich ja auch für andere einsetzen, ohne geweiht zu sein.“ Die Hilfe für Menschen in Sorge und Not gehört schon seit Jahrzehnten zum Leben des Paares. Nicht erst, seitdem sie 1997 in ihrer brasilianischen Heimatstadt Recife heirateten.
Sieben Diakone werden am Sonntag, 25. November 2018, um 14.30 Uhr im St.-Paulus-Dom von Bischof Felix Genn zu Diakonen geweiht (von links): Ludger Schulten (St. Antonius, Rheine), Michael Jahn (Heilig Kreuz, Münster), Christian Walbröhl (St. Ulrich, Alpen), Ulrich Nikolayczik (St. Matthäus, Dorsten), Stefan Schlatt (St. Johannes Baptist, Altenberge), Jörg Kreusel (St. Marien, Hude) und Ralf Laumann (St. Gertrudis Horstmar). | Foto: Michael Bönte
Der Weg dorthin begann für den heute 50-Jährigen früh, noch vor seinem Studium der Sozialpädagogik. „Ich wollte nach Brasilien, weil mich die Ideen der Befreiungstheologie begeisterte“, erinnert er sich an jene Zeit. „Wo konnte ich ihre Auswirkungen besser kennenlernen als in Brasilien.“ Für neun Monate machte er Station in unterschiedlichen Einrichtungen von Mission-Brüdern, lernte das Glaubensleben dabei genauso kennen wie die Armut in den Favelas und die große soziale Schere in der brasilianischen Gesellschaft.
Für ihn muss ein Christ soziale Verantwortung übernehmen
Ein Gefühl wurde in dieser Zeit besonders gestärkt: „Zum Christsein gehört immer die soziale Verantwortung“, sagt Schulten Die kannte er auch aus seinem Engagement in der katholischen Jugendarbeit in Rheine. „Wer A sagt, muss auch B sagen“, bricht er es auf eine einfache Formel runter: „Wer glaubt, muss sich damit auch für den Einsatz für andere inspirieren lassen.“
Er nahm dieses Gefühl mit in die folgenden Studienjahre. Die Flüchtlingshilfe für Migranten aus dem Libanon und dem Balkan stand während dieser Zeit in seinem Fokus. Ein Land blieb besonders in seinem Herzen: Brasilien. Direkt nach dem Examen ging es wieder dorthin. Das Ziel: Die Arbeit in einem Bildungs- und Sozialprojekt für Kinder. „Und die intensive, bewusste Art, dort den Glauben zu leben“, sagt er. In einem der lebendigen Gottesdienste in Receife lernte er seine heutige Frau kennen.
Sehnsucht nach der Basisarbeit
Es folgten einige Jahre mit vielen Reisen zwischen Deutschland und Brasilien. Und die schwierige Entscheidung, wie und vor allem in welchem Land es nach der Hochzeit für sie weitergehen sollte.
Es wurde Deutschland, wo er als Sozialarbeiter beim Caritasverband Rheine arbeitete und sie pädagogische und psychologische Ausbildungen absolvierte. Nach 20 Jahren wechselte Ludger Schulten nach Münster, zum Diözesancaritasverband. Zuvor hatte er ein Studium zum Sozialmanager absolviert. Im neuen Beruf ging es „um Wirtschaftlichkeit, Organisation und Leitung sozialer Arbeit“, sagt er. „Das alles ist wichtig, um die Hilfe an der Basis zu ermöglichen.“ Er sagt es mit etwas Wehmut. „Denn der direkte Kontakt zu dieser Basis ist seitdem weniger geworden.“
Im Studium argumentiert er bereits wie ein Diakon
Ein Satz seines Professors aus dem Studum blieb bei ihm hängen: „Sie argumentieren wie ein Diakon.“ Das passten zu seinem Gefühl, trotz aller Aufgaben als Referent bei der Caritas, die unmittelbare Hilfe zu Menschen in Notsituationen weiter suchen zu wollen.
Letztlich mündete dieses Gefühl in dem Entschluss, die vierjährige berufsbegleitende Ausbildung zum Ständigen Diakon zu beginnen. „Eine Entscheidung, die wir natürlich als Paar getroffen haben“, sagt Ludger Schulte. „Aber ohne irgendwelche Zweifel“, sagt seine Frau. „Da haben wir die gleiche Wellenlänge.“
Für beide ist der Entschluss logisch: „Diese Berufung ist wie das spirituelle Pendant zur Arbeit bei der Caritas.“ Er ist keine Kehrtwende, sondern eine weitere Station auf dem gemeinsamen Weg, „denen zu helfen, denen es nicht so gut geht“, sagt Adriana Schulten. „Damit setzen wir auch einen Zeichen, welche Stärke aus dem Glauben heraus wachsen kann.“
Sie wollen ohne Scheuklappen durchs Leben gehen
Sie erlebten das etwa, als sie einem alten Paar in ihrer Heimatgemeinde St. Antonius in Rheine in deren letzten Lebensjahren zur Seite standen – von den Hilfen im Alltag bis später zur Organisation der Pflege und bei der Sterbebegleitung. Auch da waren sie als Tandem unterwegs: „Während mein Mann oft den Schriftverkehr mit Behörden, Kranken- und Pflegekassen oder Alteneinrichtungen regelte, saß ich bei dem Ehepaar und sprach mit ihnen über ihre Sorgen.“
St. Antonius und die portugiesische Gemeinde können sich damit auch künftig auf ein erfahrenes Team in Sachen Nächstenliebe verlassen: Ein Diakon mit einer Frau, die seinen Weg mitgeht. Dabei gilt für sie auch weiterhin eine Grundidee: „Wir sind bislang immer ohne Scheuklappen durchs Leben gelaufen und haben wahrgenommen, dass wir nicht weit gehen müssen, um Menschen zu begegnen, die Unterstützung brauchen.“
Sei werden die Augen für andere Menschen offen halten
300 Meter vom Kirchplatz in Rheine entfernt liegt ein Altenpflegeheim, 200 Meter in die andere Richtung ein Behindertenwohnheim, etwas weiter eine Flüchtlingseinrichtung. „Und viele Portugiesen im Bistum brauchen Beratungsangebote in ihrer Muttersprache.“ Die Schultens werden die Augen offen halten.
Was ist ein Ständiger Diakon?
„Ständiger Diakon“ ist die Bezeichnung für ein kirchliches Amt, das neben einer beruflichen Tätigkeit von Männern – verheiratet oder unverheiratet – ausgeübt werden kann. Die Diakone sollen in ihrem Wirken die Einheit von Gottesdienst und Nächstendienst zum Ausdruck bringen. Mit ihrem Amt stehen sie öffentlich und auf Dauer dafür ein, dass die Kirche den Auftrag hat, dem Menschen zu dienen.
Die Aufgabe des Diakons ist es, sich an die Seite der Armen zu begeben und Menschen in Not zu helfen. Zudem assistiert er dem Priester in der heiligen Messe, verkündet das Evangelium und kann predigen. Er kann die Taufe spenden, kirchliche Trauungen und Begräbnisfeiern leiten, Wortgottesdienste feiern, die Kommunion und Segnungen spenden.
Im Bistum Münster durchlaufen die Bewerber eine vierjährige theologische und pastorale Ausbildung. Eingebunden werden auch ihre Ehefrauen. Für die Weihe geben sie ihre schriftlichen Einverständnisse. Das Bistum Münster übernimmt die Ausbildungskosten. Am Ende der Ausbildung werden die Ständigen Diakone vom Bischof für ihren Dienst geweiht.