Die scheidende Vorsitzende lebt Ökumene - und für die Ökumene

Annethres Schweder gibt Amt als ACK-Vorsitzende in Münster auf

Bei den evangelischen und katholischen Delegierten der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Münster gibt es derzeit einen nahezu kompletten Wechsel, aus Altergründen. Auch die Vorsitzende Annethres Schweder hört auf. Wie weiter?

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Eigentlich war am 21. April die letzte Delegierten-Konferenz der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften (ACK) in Münster vorgesehen. Annethres Schweder wollte die Sitzung als Vorsitzende leiten. Die Delegierten der zwölf Voll- und sechs Gastmitglieder des Zusammenschlusses sollten gemeinsam überlegen, wer künftig die anstehenden Aufgaben übernehmen wird: Denn vier der fünf Vorstandsmitglieder werden aus Altersgründen ihr Mandat niederlegen – darunter auch die ACK-Vorsitzende selbst. Doch Corona machte dem allen einen Strich durch die Rechnung.

Am 28. Mai wollte Schweder nur noch die Wahl des neuen Vorstands leiten. „Doch es fehlt noch ein Teil der Delegierten, und noch ist nicht klar, wer den Vorstand bildet und den Vorsitz übernehmen wird“, sagt sie. „So eine Situation hat es noch nie gegeben.“

 

Ökumene ist mehr als die Zusammenarbeit der beiden großen Kirchen

 

1971 hat sich die ACK in Münster gegründet. Sie dient nach eigenen Angaben dem Ziel, dass sich die christlichen Konfessionen in der Stadt „untereinander besser kennenlernen, die Zusammenarbeit vertiefen und die Vielfalt des christlichen Glaubens in der Gesellschaft deutlich machen“.

44 Delegierte gehören normalerweise der ACK an. Die katholische Kirche, vertreten durch das Stadtdekanat Münster, stellt davon sieben, die evangelische Kirche fünf Personen. „Die restlichen ACK-Mitglieder entsenden jeweils zwei Personen“, so Schweder. „Doch bei den Delegierten der beiden großen Kirchen findet zurzeit ein nahezu 100-prozentiger Wechsel statt“, erklärt sie. „Aus Altergründen.“

 

Mehr Herzblut für die Ökumene

 

Die beiden großen Kirchen seien zudem die kräftigsten Geld- und Impulsgeber im Arbeitskreis. Das sieht Schweder nicht nur positiv. Sie schließt sich dabei der Kritik des Vorsitzenden der Bundes-ACK an. Der griechisch-orthodoxe Erzpriester Radu Constantin Miron hatte das fehlende Bewusstsein dafür angeprangert, dass es in Deutschland auch orthodoxe, altorientale und andere Kirchen gebe.  Miron ist Ökumene-Referent der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland, seit 2016 Pfarrer der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde in Köln und Bischöflicher Vikar der Griechisch-Orthodoxen Metropolie für Nordrhein-Westfalen.

„Ökumene kann nicht mehr nur bilateral gesehen werden“, pflichtet Schweder ihm bei. Die kleineren christlichen Gemeinden und Gemeinschaften müssten einen größeren praktischen Beitrag leisten, fordert sie. Zwar hätten sie häufig viel mit sich selbst zu tun, zeigt sie Verständnis. Da sei es womöglich schwieriger, jemanden freizustellen, „der mit Herzblut für die Ökumene ist“. Bei den evangelischen Freikirchen in Münster sei die Situation zurzeit etwas entspannter. „Vor allem die orthodoxen Gemeinschaften treten in der ökumenischen Zusammenarbeit aber noch zu zurückhaltend auf“, formuliert sie vorsichtig.

 

An der Grenze

 

Schweder jedenfalls ist mit Herzblut Ökumenikerin. Sie gehört seit 1998 der ACK an und wurde vom damaligen Stadtdechant Michael Scharf in das Gremium entsandt. Seit 47 Jahren ist die Mutter von drei erwachsenen Kindern mit einem evangelischen Christen verheiratet.

Zehn Jahre war sie stellvertretende Vorsitzende der ACK. Vor vier Jahren hat sie den Vorsitz mit der Maßgabe übernommen, 2020 aufzuhören. Damals war sie bereits ein Jahr pensioniert. Im kommenden Juni wird sie 70. Jetzt wolle sie noch eine „gute Übergabe“ an die Jüngeren ermöglichen und dann die Aufgaben niederlegen: „Mein Körper sagt mir längst: Ich habe meine Grenzen überschritten.“

 

Zu große Angst

 

Schweder sieht die ACK vor großen Herausforderungen. „Für die Alltagsgemeinden sind die ungelösten Konflikte zwischen den christlichen Kirchen kaum noch von Bedeutung.“ Sie verständen nicht, warum über die Frage eines gemeinsamen Abendmahls oder über den Umgang mit konfessionsverschiedenen Ehen gestritten werde. „Den meisten Menschen ist nur wichtig, Christ zu sein.“

Sie selbst sieht ihre Basis im „kontemplativen Christsein“. Die spanische Ordensfrau und Mystikerin Teresa von Avila (1515-1582) ist eine ihrer wesentlichen Quellen. Die Heilige und Kirchenlehrerin ist ihre Namenspatronin. Sitzungen zu leiten und diplomatisch zwischen den unterschiedlichen christlichen Partnern zu moderieren, wie das in der ACK notwendig ist, „schränkt meine Zeiten der Kontemplation ein“, sagt sie. Auch das musste sie in den letzten Jahren immer wieder feststellen: Eine wesentliche Ursache für die Konflikte und Streitereien zwischen den christlichen Kirchen, Gemeinschaften und Gemeinden sieht sie in der weit verbreiteten Angst.

 

Besser auf gemeinsame Schätze schauen  

 

„Ich sehe nicht mehr ein, was da immer wieder an gegenseitigen Bedenken hervorgeholt wird“, erklärt sie. „Solange ich Angst habe, dass der andere etwas macht, dass gefährlich für meine eigenen Überzeugungen ist, gibt es keine Freiheit.“ Dogmen seien nicht hilfreich, sondern grenzten aus, kritisiert sie.

„Ich bin mit ganzem Herzen katholisch“, bekennt sie. Dieselbe Freiheit des Glaubens gesteht sie auch den anderen zu: den Evangelischen, Altkatholiken, Freikirchlern und Orthodoxen aus den unterschiedlichen Ursprungsländern, die alle in der ACK zusammengeschlossen sind. „Das Christentum hat so viele Schätze. Die Freiheit eines Christenmenschen kann der Gesellschaft so viel geben“, ist sie überzeugt.

 

Ihr Talar ist Jesus Christus

 

Zu den großen ACK-Ereignissen im Jahreskreis gehören der ökumenische Gottesdienst alle zwei Jahren auf dem Domplatz in Münster mit einem anschließenden Fest, der interkulturelle und internationale ökumenische Gottesdienst aus Anlass der Interkulturellen Woche, die Friedensvesper am Tag des Westfälischen Friedens im Oktober und das Deutsch-Englische Weihnachtssingen im Dom. Beim ökumenischen Fest am Pfingstmontag 2019 im Dom hat Schweder den Gottesdienst geleitet – ohne Talar. „Mein Stück Stoff ist Jesus Christus.“ Sie bezieht sich auf Galater, 3.27: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angezogen.“

Schweder fordert von den christlichen Vertretern, „nicht nur zu predigen, sondern die eigene Spiritualität auch zu leben“. – „Wir sind gemeinsam von Gott geliebt“, sagt sie. Diese Einsicht prägt auch ihren Umgang mit dem Islam.

 

Intensive Kontakte zu Muslimen

 

18 Jahre lang war sie nämlich die christliche Sprecherin des CIAK, des Christlich-Islamischen Arbeitskreises in Münster. Es gibt auch einen muslimischen Sprecher. Im Januar hat sie diese Aufgabe niedergelegt – ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin sind noch nicht gefunden. Der- oder diejenige muss nach den Statuten aus den Reihen der ACK kommen.

Delegierte im CIAK bleibt sie aber auch künftig. Und sie arbeitet weiter im Christlich-Islamischen Frauenkreis mit, den sie ebenfalls viele Jahre geleitet hat. In ihm treffen sich Musliminnen und Christinnen verschiedener Konfessionen, um miteinander zu beten, ihre je eigene Spiritualität zu teilen, zu feiern und sich gegenseitig wertzuschätzen.

 

Schwierige Doppelrolle

 

Ihre Doppelrolle als Vorsitzende der ACK und als Sprecherin des CIAK sei für die freikirchlichen und besonders für die orthodoxen Delegierten in der ACK nicht immer einfach gewesen, gesteht sie. Schweder hat dafür Verständnis, denn gerade einige der orthodoxen Gemeinden, etwa die Syrer, hätten in ihren Heimatländern schreckliche Erfahrungen mit dem Islam gemacht.

„In Deutschland können wir es uns als Christen aber nicht leisten, den Dialog mit dem Islam auszuschlagen“, ist sie überzeugt. Ein Symbol für die ACK in Münster sei das Fahrrad. Es findet sich auch auf der Homepage des Zusammenschlusses. Wie die Speichen eines Rades sieht Schweder die verschiedenen christlichen Konfessionen und die anderen Religionen auf einen Mittelpunkt ausgerichtet, der sie letztlich zusammenhält.

 

2021 ist das „Jahr der Ökumene“

 

„Dieses Zentrum ist Gott“, sagt sie. Ihre Devise für alle Glaubensrichtungen lautet: „Geh deinen Weg, und gestehe es dem anderen zu, seinem Weg zu gehen.“

2021 wird das „Jahr der Ökumene“ werden, betont sie. Sie spricht den Dritten Ökumenischen Kirchentag vom 12. bis 16. Mai in Frankfurt an, die Vollversammlung des ökumenischen Weltkirchenrats im September in Karlsruhe und die Feier des 50-jährigen Bestehens der ACK im Juni 2021 in Münster. „Ökumene hat Zukunft“, bleibt sie überzeugt. Annethres Schweder wird die Entwicklungen­­­ weiterbeobachten, wenn sie sie auch nicht mehr aktiv mitgestaltet wird.

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