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Der am Sonntag zu Ende gegangene Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan wird höchst unterschiedlich bewertet. Während Opfervertreter von einer vertanen letzten Chance sprachen, bezeichnete etwa Kardinal Reinhard Marx das Treffen als einen „wichtigen Schritt nach vorn“.
Vier Tage lang hatten die Spitzen von Bischofskonferenzen und Ordensgemeinschaften aus 130 Ländern der Welt über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche beraten. Auch einige Opfer des sexuellen Missbrauchs durchs Geistliche wurden gehört. Papst Franziskus hatte dieses Treffen einberufen und auch selber daran teilgenommen. Am Samstagabend hatte es einen Bußakt gegeben.
Empörung bei Opfervertretern
Matthias Katsch vom internationalen Opferverband ECA (Ending Clerical Abuse) äußerte sich in Rom empört über den Ausgang des Krisentreffens. „Die Rede des Papstes ist der schamlose Versuch, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, ohne sich der Schuld und dem Versagen zu stellen und wirkliche Veränderung anzugehen.“
Für Katsch war die viertägige Konferenz die letzte Chance für die Kirche, zu demonstrieren, dass sie sich der Missbrauchsproblematik in den eigenen Reihen bewusst sei. Opferverbände würden sich nun bemühen, die internationale Gemeinschaft dazu zu bewegen, den Heiligen Stuhl, der Beobachterstatus in UN-Organisationen genießt, von diesen auszuschließen.
Marx: Papst hat nichts verharmlost
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat indes eine positive Bilanz des Bischofstreffens gezogen. Bei der Konferenz im Vatikan sei das Bewusstsein sichtbar geworden, dass es um eine Herausforderung für die gesamte Kirche auf allen Kontinenten gehe. Zugleich wies er darauf hin, dass sich die Art, über das Thema im Vatikan zu sprechen, im Vergleich zu vor zehn Jahren verändert habe.
Marx warnte vor Enttäuschung über den Ausgang der Tagung, denn die Erwartung, dass sie zu Beschlüssen führe, war seiner Ansicht nach fehl am Platz. Der Kardinal wies die Kritik von Opferverbänden zurück, nach deren Ansicht der Papst das Thema verharmlost habe, indem er es in seiner Abschlussrede als weltweites Problem bezeichnete, das die Grenzen der Kirche weit überschreite. Franziskus habe deutlich gemacht, „man darf nichts von dem relativieren, was in der Kirche geschehen ist“, sagte Marx.