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Vor dem Anti-Misbrauchsgipfel hat der vatikanische Chefaufklärer für Sexualverbrechen ein konsequentes Durchgreifen gegen Täter auch im Inneren des Vatikan angekündigt. Schon jetzt habe man die Zahl der zuständigen Juristen im Vatikan fast verdoppelt.
Vor dem Anti-Misbrauchsgipfel in Rom hat der vatikanische Chefaufklärer für Sexualverbrechen ein konsequentes Durchgreifen gegen Täter auch im Inneren des Vatikan angekündigt. Der maltesische Erzbischof Charles Scicluna sagte am Montag bei einer Pressekonferenz im Vatikan, dies bedeute eine kulturelle Verschiebung.
Früher habe in Rom das Sprichwort gegolten, dass die Gesetze zwar im Vatikan gemacht, aber nur draußen in der Weltkirche angewendet werden. Jetzt würden sie aber auch im Vatikan selbst ausgeführt. Scicluna äußerte sich im Zusammenhang mit Medienberichten, wonach ein hochrangiger, aus den USA stammender Kirchenjurist im Vatikan selbst beschuldigt wird, Minderjährige sexuell missbraucht zu haben.
Live-Übertragung im Internet
Scicluna kündigte zudem weitreichende Konsequenzen für die Zeit nach dem Gipfel an. Unmittelbar nach dem viertägigen Treffen werde Papst Franziskus mit den Organisatoren über die weiteren Schritte beraten. Schon jetzt sei das Personal in der federführenden Abteilung der Glaubenskongregation von 10 auf 17 Kirchenjuristen deutlich aufgestockt worden; die Verfahren würden spürbar beschleunigt.
Vor dem Treffen bemüht sich der Vatikan demonstrativ um Transparenz. „Es braucht den Einsatz aller, um diesem Monster in die Augen zu schauen“, sagte Vatikansprecher Alessandro Gisotti. Geplante Ansprachen von Kardinälen sollen anders als bei Bischofssynoden live im Internet übertragen werden. Eine eigene Internetseite unter der Adresse www.pbc2019.org soll über den Fortgang der Konferenz und anschließende Bemühungen informieren.
Kardinal Marx spricht am Samstag
Der Moderator des Gipfels, Pater Federico Lombardi, teilte am Montag bei einer Pressekonferenz das Programm des Gipfels mit. Demnach gibt es täglich drei Referate mit Fragerunden sowie Gespräche in Kleingruppen, zudem Zeugnisse von Missbrauchsopfern und einen Bußgottesdienst. Abstimmungen oder Beschlüsse sind nicht vorgesehen.
Die drei Arbeitstage stehen unter den Themen Verantwortung, Rechenschaft und Transparenz. Unter den Rednern sind die Kardinäle Reinhard Marx (München), Antonio Tagle (Manila) und Blase Cupich (Chicago). Zu Beginn des Treffens in der neuen Synodenaula wie bei den täglichen Abendgebeten werden auch Opfer von Missbrauch sprechen; am Donnerstagmorgen per Videoaufzeichnung, bei den täglichen Abendgebeten sind Betroffene persönlich anwesend. Das Treffen endet am Samstagabend mit einem Bußgottesdienst und einer Messe am Sonntagmorgen. Nach der Messe wird Papst Franziskus eine Rede halten.
Betroffenenverbände kündigen Demonstrationen an
Im Umfeld des Gipfels wollen sich die Organisatoren auch mit Vertretern von Opferverbänden treffen, so Lombardi. Etliche Betroffenenverbände halten sich zu Demonstrationen und eigenen Informationsveranstaltungen in Rom auf. Aus ihren Reihen gibt es immer wieder Vorwürfe, Betroffene von Missbrauch seien an der Konferenz nicht beteiligt. Auch habe es von Seiten des Vatikan bislang keine Signale zu einem Dialog gegeben.
Opfervertreter sehen die Eröffnung der Vatikan-Konferenz als Ergebnis ihres Engagements für die Aufklärung dieser Verbrechen. „Diese Konferenz gibt es nur wegen des Leids, wegen der Opfer und der Zeugnisse von Opfern weltweit“, sagte der Sprecher der Initiative „Ending Clergy Abuse“, Peter Isely, am Montag in Rom. Sie sei ein „Tag des Sieges“ für die Betroffenen.
Opferverbände: Täter laisieren, Vertuscher bestrafen
Als zwei wesentliche Ergebnisse der Konferenz fordern die Verbände „Null Toleranz“ sowie „Null Vertuschung“ bei Fällen von Missbrauch. Seit er Papst sei, habe Franziskus „Null Toleranz“ in Sachen Missbrauch versprochen. „Es ist Zeit, dieses Versprechen endlich einzulösen“, so Isely. Diese bedeute: Jeder Kleriker weltweit, jeder Ordensangehörige, der des Missbrauchs an Minderjährigen oder schutzbefohlenen Erwachsenen überführt werde, müsse aus dem Klerikerstand oder der Ordensgemeinschaft entlassen und den staatlichen Behörden gemeldet werden. Ebenso sollten jene Kirchenoberen bestraft werden, die Missbrauch vertuschen.