Stefan Jürgens über Verwandlung durch Hingabe

Auslegung der Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (A)

Liturgie ist mehr als die Summe aneinander gereihter Riten, meint Stefan Jürgens. Das gehe oft unter, wenn zum Beispiel Erstkommunionkinder den Messablauf lernen. Um den Inhalt der Eucharistiefeier zu verstehen, sei ein Wort besonders wichtig: Das Wort „Hingabe“.

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Liturgie ist mehr als die Summe aneinander gereihter Riten, meint Stefan Jürgens. Das gehe oft unter, wenn zum Beispiel Erstkommunionkinder den Messablauf lernen. Um den Inhalt der Eucharistiefeier zu verstehen, sei ein Wort besonders wichtig: Das Wort „Hingabe“.

Viele Erstkommunionkinder und Messdiener lernen den so genannten Messablauf. Sie sollen die Reihenfolge und den Sinn der Gebete und Rituale begreifen und so in die Liturgie hineinwachsen. Messablauf – dieses Wort kommt mir immer sehr technisch vor. So, als bestünde unsere Liturgie vor allem aus aneinander gereihten Riten.

Am Ende wissen die Kinder dann, was wann kommt, aber den Inhalt haben sie nicht verstanden. Zu einem bloß rituellen Ablauf wird man niemals so etwas wie Begeisterung oder gar Liebe empfinden können. In einem bloß rituellen Ablauf kann man nur funktionieren, aber nicht leben.

 

Hingabe im Zeichen von Brot und Wein

 

Mir ist es deshalb wichtig, dass Kinder und Erwachsene den Inhalt der Eucharistiefeier immer besser verstehen und mitvollziehen können. Dazu biete ich ihnen ein einziges Wort an. Das Wort „Hingabe“. Die Heilige Messe ist die Feier der Lebenshingabe Jesu Christi. Im Abendmahlssaal deutet Jesus sein Sterben am Kreuz in den Zeichen von Brot und Wein. So wie man Brot bricht, zerbricht man ihn. So wie man Wein vergießt, fließt sein Blut. Leib und Blut – das bedeutet: Jesus Christus schenkt sich uns ganz und gar, mit Leib und Leben.

Dafür sind die Gaben, die Jesus aus dem jüdischen Paschamahl kannte, schon von sich aus besonders gut geeignet: Aus Körnern wird Mehl, daraus Teig, daraus Brot. Der Prozess ist nicht umkehrbar. Man muss das eine hergeben, um das andere zu erhalten. Ebenso ist es beim Wein: Aus Trauben wird Saft, daraus Wein. Auch dieser Prozess ist nicht umkehrbar. So sind Brot und Wein schon in sich Zeichen von Verwandlung durch Hingabe. Gottes Geist verwandelt Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi. In sein Leben für uns. Es ist hingegebenes Leben, das wir empfangen.

 

So geschieht Eucharistie mitten im Leben

 

Dieser Prozess geht weiter: Verwandlung durch Hingabe. Wer Eucharistie feiert, wird hineingenommen in das Leidensgeheimnis Jesu. Auch er soll verwandelt werden. Das gewandelte Brot und der Wein verwandeln unser Herz. Der verwandelte Mensch gestaltet die Welt, indem er wie Jesus sein Leben hingibt. Nicht am Kreuz, Gott sei Dank. Wohl aber durch das Verschenken von Zeit und Kraft, durch Liebe in Wort und Tat. Und manchmal auch im Leiden und Kreuztragen. Gott, der Vater, schenkt uns Jesus, damit wir uns wie er an die Welt verschenken. Er liebt uns vor aller Leistung und nach aller Schuld, damit wir einander ebenso annehmen und lieben.

Der Autor
Stefan Jürgens ist Pfarrer der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz Münster. | Foto: Archiv
Stefan Jürgens ist Pfarrer der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz Münster. | Foto: Archiv

So geschieht Eucharistie nicht nur im Abendmahlssaal und am Kreuz, nicht nur auf dem Altar, sondern mitten im Leben. Wer Anteil hat an der Eucharistie, kann die Lebenshingabe Jesu Christi weiterführen und im Alltag konkret werden lassen. So nährt die Eucharistie nicht nur das eigene geistliche Leben, sondern die Welt. Verwandlung durch Hingabe: Darin ist für mich alles enthalten, was man über die Heilige Messe wissen muss und glauben darf. Das ist viel wichtiger als rituelle Kenntnisse über den so genannten Messablauf.

 

Wer den Schöpfer akzeptiert, bleibt sein Original

 

„Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren“, sagt Jesus. Tatsächlich: Wer nur um sich selber kreist, wem Haben wichtiger ist als Sein, der wird sein Leben verlieren. Er wird viele Dinge besitzen, Karriere machen, vielleicht mit Titeln und Erfolgen protzen können. Ob das schon das Leben ist? Kann er sich womöglich nur deshalb nicht verschenken, weil er zwar Dinge besitzt, sich selbst aber gar nicht hat? Weil er vielleicht Angst vor dem Leben hat wie das Weizenkorn, das nicht sterben will und deshalb fruchtlos bleibt?

Das wirkliche Leben gibt es nur in der Freiheit, die man dadurch gewinnt, dass man Gottes Liebe annimmt und weiterschenkt (manchmal ohne ihn zu kennen). Wer sich an Gott festmacht, wird unabhängig von allem anderen. Wer den Schöpfer akzeptiert, bleibt sein Original.

 

Ein erfülltes Leben

 

„Wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“ Das ist eine ganz andere Perspektive: Wer sein Leben verschenkt – Zeit, Kraft, Liebe und Leiden –, der hat ganz sicher ein erfülltes Leben. Ein Leben für Andere. Ein Leben, wie es Jesus gelebt hat: hingebungsvoll und leidenschaftlich. Wer sich nur für sich selbst bewahrt, hat am Ende auch nur sich selbst. Wer für andere lebt wie Jesus Christus, hat das Leben.

Und wenn es nur so wenig ist wie der Becher frisches Wasser im Evangelium: Es geht um die Haltung der Liebe und Hingabe, die von selbst das Gute hervorbringt. Wer einmal begriffen hat, wie erfüllend es ist, sich zu engagieren für andere Menschen, für den Glauben; wen also einmal die Freude an Gott gepackt hat, der hat das Leben gefunden. Schon in dieser Welt, und erst recht in der kommenden. Was wir in der Eucharistie feiern, kommt dort zur Vollendung: Verwandlung durch Hingabe.