Sonderschau im Ikonenmuseum Recklinghausen

Ausstellung: Was heilige Frauen und die „MeToo“-Bewegung verbindet

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Können uns heilige Frauen auch heute noch als Vorbilder dienen? Eine Antwort auf diese Frage will die Sonderausstellung „Ikona“ im Ikonenmuseum Recklinghausen liefern. Sie ist noch bis März 2024 zu sehen.

Bäume haben Wurzeln, Häuser haben Fundamente – und was hält den Menschen in stürmischen Zeiten? Woran kann er seine Orientierungssuche wenden? Heilige sind Vorbilder im Leben und immer wieder werden sie deshalb verehrt, weil sie sowohl standhaft den Unbillen, denen sie ausgesetzt sind, widerstanden haben, als auch weil sie durch Gott anderen Menschen in ihrem Schicksal eine Heilung geben konnten. In der Sonderausstellung „Ikona. Heilige Frauen in der orthodoxen Kunst“ stellt das Ikonenmuseum Recklinghausen solche heiligen Menschen vor.

Der mit 74 Ikonen unterschiedlicher Formate und Gestaltungen aufgeschlagene Bogen von Lebensbeschreibungen reicht nicht nur weit in die Vergangenheit, sondern berührt ebenfalls die Gegenwart und zeigt damit auch auf diese Weise, dass Heilige keine Personen von gestern sind. Sie leben oftmals mitten unter uns. Ein Beispiel dafür in der Ausstellung ist eine als Matrona von Moskau verehrte Frau, die in der Stalinismuszeit anderen Menschen eine sehr gefragte Hilfe- und Ratgeberin gewesen ist und deswegen Verfolgungen erlitten hat. 2004 wurde sie von der Orthodoxen Kirche für ihr Tun heiliggesprochen. Die kleine Metallikone mit einem Emaillebild ist ein Medaillon und bezeugt die gesuchte Fürbitte dieser Gegenwartsheiligen in Nöten des alltäglichen Lebens.

Ausstellung zeichnet Leben der Heiligen nach

„Heilige Frauen handelten wie Männer in einer Zeit, in der etwas völlig anderes von ihnen erwartet wurde“, beschreibt Museumsleiter Lutz Rickelt die thematische Ausrichtung der Sonderausstellung, die in einer Kooperation der drei wichtigsten Ikonenmuseen Westeuropas, Recklinghausen, Frankfurt und Kampen (Niederlande), erstellt worden ist. Wer die Ausstellung aber unter Aspekten von Feminismus- oder Gender-Mainstream besucht, wird aus heutiger Sicht wenig Negatives finden, denn es geht um Persönlichkeiten, die selbstbestimmt und selbstbewusst gehandelt haben. Es geht um Frauen, die in ihrer Zeit ungewöhnlich und tatkräftig aufgetreten sind und damit Anerkennung gefunden haben. Die Tatsache, dass ihnen auch Kirchen geweiht wurden, sagt Rickelt, bestätige, „dass sie nicht versteckt wurden.“

Dies zeigt die Ausstellung entsprechend der Sammlungsausrichtung ihrer Museen mit Ikonen, jenen Bildern des Christentums der orthodoxen Kirche, die von Menschen erzählen, die von Gottes Wirken durchdrungen sind. Das nimmt die Ausstellung „Ikona“ auf und begleitet die Lebenswege von heiligen Frauen, immer reflektierend, was ihr Leben bestimmte, ihr Tun veranlasste und zu ihrer Verehrung als Vorbilder führte. Begonnen mit der Gegenüberstellung von Eva, die in Parallele zu Adam verantwortlich für Demut und Last auf der Welt ist, wendet sich die Ausstellung der Gottesmutter Maria zu, die in Erkenntnis und Befolgen des Willens Gottes den Weg der Tugend gegangen und gewiesen hat.

Nachdenken über die Gott-Mensch-Beziehung

Frauen, die Marias Vorbild folgten, stießen auf Hindernisse, Gefahren und Tod, zeigt die Ausstellung an Märtyrerinnen und erkennt hier einen aktuellen Bezug zu „MeToo“, wenn sie sich sexuellen Übergriffen und Zwangsverheiratung widersetzen und deswegen gefoltert und ermordet werden. In Einzelszenenbildern zeichnen viele Ikonen die Lebensstationen nach und setzen ihnen mit der Verehrung ein Denkmal, dem Willen Gottes gegen ihre Verfolger gefolgt zu sein. Sie bewundern die Evangeliumsverkündigung der heiligen Thekla, die Gelehrtheit der heiligen Katharina von Alexandria.

Heilige Frauen waren ebenso Menschen, die nach einem Leben aus unterschiedlichen Randverhältnissen den Weg zu Gott gefunden haben: Maria Magdalena (ehemalige Sünderin), die Samariterin am Brunnen (gering geschätzte Bevölkerung). Mit ihnen wird gezeigt, dass die Beziehung zu Gott nicht ausschließend ist. Mit der römischen Kaiserin Helena wird ein in Ost und West anerkanntes Herrscher(innen)vorbild verehrt. Asketinnen stehen für eine mögliche Form der Weltentsagung, um der Gottesnähe wegen.

Der Gang durch die Ausstellung vermag die Besucher durch die Darstellungsinhalte zu einem Nachdenken über die Gott-und-Mensch-Beziehung anzuregen.

Die Sonderausstellung „Ikona. Heilige Frauen in der orthodoxen Kunst“ des Ikonen-Museums Recklinghausen (Kirchplatz 2a bei der St.-Petri-Kirche, Recklinghausen) wird bis zum 17. März 2024 gezeigt und ist dienstags bis sonntags und feiertags 11 bis 18 Uhr, an Heiligabend und Silvester 11 bis 14 Uhr geöffnet. Eintritt: 6 Euro (ermäßigt 3 Euro), Kinder unter 14 Jahren frei, mittwochs nach eigenem Ermessen; Internet: www.ikonen-museum.com.

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