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Am 22. März wird das neu gebaute Begegnungszentrum auf dem Zentralfriedhof in Münster eingeweiht. Das Haus bietet Räume für Verwaltung ebenso wie für Gespräche. Der scheidende Friedhofs-Geschäftsführer Ralf Hammecke erläutert alle Funktionen.
Das ist ungewöhnlich an dieser Stelle: Das Haus, das jetzt neben der Kapelle direkt an der Friedhofsmauer aufragt, passt so gar nicht in das Bild klassischer Beerdigungskultur. Viel Glas ist verbaut worden, zum Teil üppig von glänzend braunem Holz gerahmt. Elegant wurde der Standstein eines alten Friedhofstores in das Erdgeschoss integriert. Die drei Etagen sind lichtdurchflutet und großräumig konzipiert.
So weit, so architektonisch interessant. Richtig spannend wird es aber, wenn Ralf Hammecke die Funktion der einzelnen Räume erklärt, die am 22. März eingeweiht werden. Der scheidende Geschäftsführer des Zentralfriedhofs und künftige Geschäftsführer der Dialog-Medien und Emmaus-Reisen GmbH in Münster spricht von „Weite“, „von Öffnung“, von „Leben“ und „Gemeinschaft“.
Das Haus ist ein echtes Multifunktionsgebäude. Selbsthilfe- und Fortbildungsgruppen werden sich im großen Foyer treffen. Eine kleine Kapelle für Trauergruppen liegt direkt nebenan. Eine Etage höher ist in einem Großraumbüro Platz für Verwaltungsangestellte. Im dritten Stock gibt es die wohl größte Überraschung: Ein großzügiges Appartement mit integriertem Büro hat im Friedhofsverwalter Georg Dziuk schon einen Mieter gefunden. Die hohen Glasgiebel neben seinem Schreibtisch geben den Blick über das weite Gräberfeld frei.
Keine Friedhofs-Atmosphäre
Wer das neue Gebäude betritt, findet also alles andere als eine klassische Friedhofs-Atmosphäre vor. Sitzecke und Empfangstresen zeigen, dass es hier nicht allein um Organisation und Verwaltung geht. Diese Räume sind da, um zur Ruhe zu kommen, nachzudenken, Gespräche zu führen.
Einladender Neubau direkt am Gräberfeld – das Haus passt ins Konzept des Friedhofs. | Foto: Michael Bönte
Ein solcher Bau passt in das Konzept des Zentralfriedhofs in Münster. „Es geht darum, dass Menschen nicht allein zu Beerdigungen und Trauerfeiern kommen, sondern dass es viele Gründe gibt, diesen Ort aufzusuchen“, sagt Hammecke. Ein Kontakt, der nicht beliebig sei, unterstreicht er: „Wir sind wie ein verlängerter Arm der Pastoral.“ Christen haben ein Deutungs-Angebot, wenn es um Leben und Sterben geht. „Auf einem Friedhof kommt jeder Mensch ein oder mehrmals im Leben mit dieser Situation in Kontakt – unweigerlich.“
1,6 Millionen Euro investiert
An diesem Punkt haben Hammecke, der Diakon an der Stadtkirche St. Lamberti ist, und seine Mitarbeiter angesetzt. „Der Friedhof soll nicht allein Ort des Defizits sein, an dem es nur Endlichkeit, Vergänglichkeit und Verlust gibt.“ Der Geschäftsführer wird konkret: „Es soll hier nicht alles wehtun.“ Christen hätten Entscheidendes entgegenzusetzen: „Gewinn, Rettung, Hoffnung.“
Deshalb war Hammecke der Bau des Hauses so wichtig. Deswegen wurden 1,6 Millionen Euro investiert. „Ohne Kirchensteuern einzusetzen“, betont er. „Allein gedeckt durch die Einnahmen des Friedhofs.“ Dabei ist ein Ort der Seelsorge entstanden. Ein Ort, der genau für die christliche Lebens-Botschaft steht. Hier werden sich Menschen treffen, um Trauer zu bewältigen. Hier werden Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen sitzen, die sich den Themen rund um den Tod aus verschiedenen Richtungen nähern werden. Hier werden Pastoralreferenten in ihrer Ausbildung diskutieren. Und nicht zuletzt werden oben unter dem Dach Menschen wohnen und ihr Alltagsleben mitbringen.
Der Zentralfriedhof in Münster ist mit etwa 37.000 Grabstellen und 800 Bestattungen pro Jahr der größte Friedhof der Region. Zwischen Aasee und Schlossgarten gelegen war er zur Gründungszeit vor 130 Jahren eine kleine Sensation, war er doch der erste ökumenische Friedhof. Viele Gräber und Bauten stehen unter Denkmalschutz.
Besonders in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Bestattungskultur stark verändert, neue Vorstellungen für den Umgang mit Verstorbenen haben sich entwickelt. Die Verantwortlichen für den Zentralfriedhof haben darauf reagiert. Es ist ein Konzept entstanden, welches „das Leben auf den Friedhof holen will“, wie Geschäftsführer Ralf Hammecke sagt. „Es gilt die Tore offen zu halten, um die Wege im Leben der Menschen hierher zu führen.“
Das spiegelt sich in vielen Angeboten wieder. Thematische Führungen gehören dazu, Konzerte oder Tage der offenen Tür. Dem Umgang mit dem Tod wollen die Verantwortlichen damit die bedrohliche Kulisse nehmen. „Wir bieten bewusst tränenfreie Veranstaltungen an, um Schwellenängste zu nehmen.“
In diesem Konzept spielt das neue Gebäude ein wichtige Rolle. In Form und Funktion steht es für die Öffnung des Friedhofs, sich auf neuen Wegen dem Umgang mit dem Tod zu nähern. Die hellen Räume und die Möglichkeit, als Forum für Austausch und thematische Angebote genutzt zu werden, stehen dafür.