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Petrus packt an diesem Donnerstag die Sturmkeule aus. „Ylenia“ fegt über den Platz vor der St.-Marien-Kirche in Ahlen und rüttelt an dem mächtigen Haupteingang, durch den Frauen ins Innere gehen: „Schritt für Schritt“ machen sich Menschen einmal monatlich beim Gebet am Donnerstag auf den Weg und bitten um die Kraft des Heiligen Geistes für die Erneuerung der Kirche. Diese Initiative geht von den Benediktinerinnen aus dem Kloster Fahr in der Schweiz aus. Seit Februar 2019 wird in verschiedenen Ländern, an vielen Orten, in Gemeinden und Klöstern am Donnerstag gebetet. Während die Wellen der Entrüstung angesichts des Missbrauchsskandals hochschlagen, soll ein kraftvolles Gebetsnetz wachsen.
Das Gebet am Donnerstag gestalten seit Anfang dieses Jahres auch Frauen an den verschiedenen Kirchorten in Ahlen – diesmal in der St.-Marien-Kirche. Barbara Portmann-Gawer greift in ihrer Begrüßung das Bild vom Sturm auf, den sie sich für die katholische Kirche wünscht. Dass der Gegenwind die Dächer der Gotteshäuser abdecken möge, dafür singen und beten die rund 30 Frauen. „Sag mir doch Jesus, dass wir das wieder hinbekommen, dass Du wieder einziehen kannst, wo Du vertrieben wurdest und mit Dir all die Verletzten, Verlorenen und Frustrierten, alle, wir alle zusammen an Deinem Tisch“, heißt es in einem von Maria Northoff vorgetragenen Gebet.
Beten verbindet
Nicht einmal Not lehrt beten? Oder vielleicht doch gerade jetzt, wo sich die katholische Kirche selbst in einer tiefen Krise befindet. „Mit dem Gebet kann man etwas erreichen“, ist Barbara Portmann-Gawer überzeugt von der Bitte an Gott. „Es stärkt die Gemeinschaft, wenn wir der Unzufriedenheit gemeinsam Ausdruck geben.“ Aber auch der Hoffnung, ergänzt Hildegard Jaschka.
„Wenn wir glaubten, dass wir nichts ändern könnten, könnten wir uns gleich begraben lassen“, sagt Portmann-Gawer und erinnert an die Montagsgebete in der ehemaligen DDR und den Fall der Mauer, an den auch keiner geglaubt habe. „Eure Gedanken werden Eure Taten“, ist Maria Dückinghaus sicher, dass Beten verbindet und Handeln erzeugt. Denn, so Maria Northoff: „Der Geist weht, wo er will.“
Zeit reif für Veränderung
Barbara Portmann-Gawer ist überzeugt davon, dass die Frauen mit dem Gebet etwas erreichen können. | Foto: Maria Kessing
Schritt für Schritt gehen, auch wenn das Ziel noch in der Ferne liegt. Das bedeute Beten. Die Erneuerung der Kirche habe viel mit dem Frausein zu tun, so Hildegard Jaschka. Weil Frauen in der katholischen Kirche 2000 Jahre klein gehalten worden seien, seien sie mehr und ganz anders betroffen, betonte Maria Dückinghaus. „Die Zeit ist reif für eine große Veränderung in der Kirche“, sagt sie. „Wir sind von der Kirche vergiftet worden. Das Gift muss raus.“
Ist der Erfolg des Gebetes messbar? Gott ist kein Wünsche-Erfüller, auch wenn manche und mancher das gerne so hätte. Aber Ziele haben die Frauen. Zum Beispiel, dass irgendwann jeden Monat in jeder Ahlener Kirche eine Frau predigen darf, sagt Maria Dückinghaus.
Jeder Kirchort frei in der Gestaltung
„Wir müssen schon noch viel beten“, äußert Hildegard Jaschka mit Hinweis auf die anstehenden Reformen. Gebete könnten die Zuversicht stärken. Egal auf welche Art. Jeder Kirchort ist frei in der Gestaltung der Gebete am Donnerstag. Niemand soll abgeschreckt werden. „Es darf auch 30 Minuten der Rosenkranz gebetet werden“, betont Maria Dückinghaus. „Geht, Schwestern und Brüder, wie Ihr könnt!“ heißt es in dem Gebet der Schweizer Frauen, das an diesem Donnerstag auch in der St.-Marien-Kirche gemeinsam gesprochen wird.
„In jedem Wind, in jedem Sturm, in jedem Abendrot, in jedem Wind, in jedem Sturm, da spür ich meinen Gott“, singen die Frauen zum Abschluss in der Hoffnung, dass der Sturm helfen möge, etwas in der katholischen Kirche zu bewegen. In kleinen Schritten wollen sie weitergehen für ihren kleinen Traum vom Aufbruch, um im Meer der Zeit nicht unterzugehen.