Anzeige
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat die Entscheidung von Papst Franziskus verteidigt, das Rücktrittsgesuch des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße nicht anzunehmen. Der Papst habe sich dabei an die 2019 verschärften, strengen vatikanischen Regeln gegen Vertuschung von Missbrauch gehalten, sagte Bätzing am Montag zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda, an der auch Heße teilnimmt. In einem Gutachten waren dem früheren Personalchef im Erzbistum Köln zuvor elf Pflichtverletzungen bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch vorgeworfen worden.
Der Limburger Bischof sagte zugleich, er könne die - auch innerkirchlich vom Zentralkomitee der deutsche Katholiken geäußerte - Kritik an dieser Entscheidung verstehen. Es könnte der Eindruck entstehen, dass ein Rücktritt aus moralischen Gründen nicht angenommen werde. Bätzing verwies aber darauf, dass in den vergangenen Jahren mehrere Bischöfe weltweit aufgrund dieser vatikanischen Regeln zurückgetreten seien. Mit Blick auf den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte Bätzing, er hoffe auf eine schnelle Entscheidung zum Erzbistum Köln.
Reformgruppen fordern grundlegende Veränderungen
Vor Beginn des Bischofstreffen forderten auch katholische Reformgruppen und Frauenverbände schnelle und grundlegende Veränderungen. Die katholische Kirche stehe an einem Scheideweg.
Bätzing sagte zum innerkirchlichen Reformprozess des Synodalen Wegs, es müsse schnell zu sichtbaren Veränderungen kommen. Der deutsche Reformprozess könne ein "Türöffner" für den vom Papst einberufenen Synodalen Prozess sein. Die Kirche in Deutschland könne ihre Erfahrungen in den weltweiten Prozess einbringen.
Veränderungen bei Sexualmoral
Bätzing räumte ein, dass die Bischöfe in einigen wichtigen Reformdebatten weit auseinander lägen. Er setze aber darauf, dass der Reformprozess zu klaren Zeichen der Veränderung führe, etwa in Fragen der Sexualmoral. Es gelte, das hilfreiche Wissen der katholischen Sexuallehre als Angebot für alle Menschen zugänglich zu machen, auch für gleichgeschlechtliche Paare oder Nichtverheiratete. Katholische Sexualmoral dürfe nicht als Verbotsmoral bei den Menschen ankommen.
Bätzing fügte hinzu, es müsse auch zur stärkeren Beteiligung von Laien an Entscheidungsprozessen in der Kirche kommen. Das Bischofsamt könne nach den bisherigen Rücktrittsangeboten nicht mehr länger so verstanden werden wie bisher.
Verfahren zur Anerkennung des Leids wird überprüft
Der Konferenzvorsitzende kündigte zudem an, die Bischöfe wollten das bisherige Verfahren zur Anerkennung des Leids von Opfern sexualisierter Gewalt überprüfen. Es gebe Kritik, dass die Verfahren bei Betroffenen möglicherweise Retraumatisierungen oder Krankenhausaufenthalte auslösen könnten, es an Transparenz fehle und die Bearbeitungsdauer zu lang sei. Nach Angaben des Konferenzvorsitzenden wollen die Bischöfe in Fulda auch eine bundesweit einheitliche Personalaktenführung beschließen. Das sei ein wichtiges Mittel zur Erfassung und Verfolgung von Missbrauch in der Kirche.
Jede Glaubwürdigkeit verspielt
Katholische Reformgruppen und Frauenverbände appellierten in Fulda an die Bischöfe, bei Reformen Flagge zu zeigen. "Wir erleben zerfallende Machtstrukturen", sagte Christian Weiser von der Initiative "Wir sind Kirche". In der kirchlichen Hierarchie sei der Angst vor Machtverfall groß.
Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD), Agnes Wuckelt, forderte die Bischöfe auf, Reformen nicht weiter auf die lange Bank zu schieben. Immer mehr Frauen kehrten der Kirche den Rücken, darunter auch viele ältere. Die KFD kämpfe trotzdem für Reformen, denn "es ist auch unsere Kirche, und nicht nur die Kirche der Bischöfe".
Andrea Keber von der Initiative "Maria 2.0" sagte, Kirchenobere hätten jede Glaubwürdigkeit verspielt. Das Nein von Papst Franziskus zum Rücktrittsgesuch von Erzbischof Heße sei "ein weiterer Schlag ins Gesicht der Betroffenen und zeigt einmal mehr, dass man nicht bereit ist, echte Verantwortung zu übernehmen".